" … Zwar wurde die Geschwindigkeit mit der Infrarot-Geschwindigkeitsmessanlage LEIVTEC XV 2 mit Sony FX-700-E Camcorder und Kabelfernbedienung in der Betriebsart “automatisch’ gemessen und die Geschwindigkeitsmessanlage besitzt eine generelle Zulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) Braunschweig und ist geeicht.

Jedoch unterliegen die entscheidenden Aufzeichnungen in Form der in der Akte befindlichen Lichtbilder und des in der Akte befindlichen Videos (BI. 1 und 31 bis 36 der Akte und Hülle Bl. 7 Gerichtsakte) einem Beweisverwertungsverbot.

Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich vorliegend um Aufzeichnungen handelt, die mit einem Grundrechtseingriff für die Betroffene, nämlich in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, verbunden sind. Hierfür bedarf es einer gesetzlichen Grundlage, die vorliegend nicht existiert. Einzig denkbare gesetzliche Grundlage für diesen Grundrechteingriff ist § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 OWIG. Danach dürfen auch ohne Wissen der Betroffenen außerhalb von Wohnungen Bildaufnahmen hergestellt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise weniger erfolgversprechend ist. Nach § 100h Abs. 2 StPO dürfen sich diese Maßnahmen nur gegen Beschuldigte richten und sind gegen andere Personen nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Voraussetzung ist mithin, dass es bereits zumindest einen sog. Anfangsverdacht für eine Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit gibt. Ein Anfangsverdacht ist gegeben, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat/Ordnungswidrigkeit vorliegen, arg e §§ 152 Abs. 2 StPO i.V.m. 46 OWiG. Der Anfangsverdacht muss in konkreten Tatsachen bestehen und die Frage, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, ist keine Ermessensentscheidung, auch wenn ein gewisser Beurteilungsspielraum besteht (Vgl. Meyer-Goßner, § 152 StPO, Rn 4 m.w.N). Der Anfangsverdacht muss es nach den kriminalistischen Erfahrungen als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat/Ordnungswidrigkeit vorliegt (ebenda). Dazu genügen auch entfernte Indizien; bloße Vermutungen rechtfertigen es jedoch nicht, jemandem eine Tat zur Last zu legen (ebenda).

Vorliegend erfolgte die Messung mit dem Messsystem LEIVTEC XV 2. Bei diesem Messverfahren startet die Videoaufzeichnung notwendigerweise gleichzeitig mit der Geschwindigkeitsmessung, d. h, das betreffende Fahrzeug wird von Beginn der Messung an anvisiert, überwacht, per Video aufgezeichnet und gespeichert. Erst im Nachhinein stellt sich heraus, ob eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde oder nicht. Die eigentliche Aufzeichnung wird oft bereits vor Beginn der Messung gestartet, weil die Aufzeichnung im Dauerbetrieb erfolgt und nur über eine Fernbedienung durch den Messbediensteten zwischendurch gestoppt und gestartet wird.

Zwar sind die Messbediensteten angewiesen, keine Daueraufzeichnung vorzunehmen und die Aufzeichnung jeweils im Einzelfall mittels der Fernbedienung zu starten. Um zu diesem Zweck den Verkehr bereits frühzeitig über den Monitor im Fahrzeug des Messbediensteten beobachten zu können, wird hierzu eine mittels Joystick zu bedienende Schwenkeinrichtung für die Kamera verwendet. Dies ist dem Gericht bekannt aufgrund eigener Anschauung im Rahmen einer Vorführung der Verkehrsüberwachungsanlage durch den Landkreis. Danach erscheint es grds. möglich bei entsprechend zurückhaltender Einschätzung und mit der erforderlichen Übung, Geschwindigkeitsüberschreitungen in einer gewissen Größenordnung einzuschätzen, wenn die betreffende Messstrecke dies erlaubt. Für jede Messstrecke erscheint dies jedoch nicht möglich, ebenso wie für geringe Geschwindigkeitsüberschreitungen mangels Wahrnehmbarkeit mit dem bloßen Auge.

Vorliegend wurde in einem Moorgebiet gemessen, wo die Straße über viele Bodenwellen verfügt, so dass eine zuverlässige Einschätzung der Geschwindigkeit nahezu unmöglich erscheint. Hinzu kommt, dass diese Einschätzung auch stark vom Fahrzeugtyp abhängig ist. Insgesamt ist die Einschätzung sehr subjektiv und nicht überprüfbar. Zumal, wie dem Video zu entnehmen ist, der Messbedienstete vor Ort kaum Überlegungszeit hat und häufig mit der Situation konfrontiert wird, dass er ein Fahrzeug gemessen hat mit dem Ergebnis einer sog. “Slowmessung’, d.h. dass der eingegebene Grenzwert nicht überschritten wurde und gleichwohl das unmittelbar nachfolgende Fahrzeug erneut anvisiert und aufzeichnet in der Annahme, dieses könne zu schnell sein.

Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Messbedienstete O hat als Zeuge hierzu bekundet, dass er über den Monitor den ankommenden Verkehr beobachtet hat und wenn er der Meinung sei, dass ein Fahrzeug zu schnell ist, die Aufnahme startet und anschließend wieder beendet. Im Laufe der Zeit habe er ein Gefühl für diese Einschätzung bekommen. Genau beschreiben könne er das nicht. Bei der Messstelle hier han...

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