Dies führt natürlich zu folgender Frage: Gibt es überhaupt eine Fahrerlaubnisklasse für E-Scooter mit einer bbH von mehr als 20 km/h? Eigentlich: Nein. Diese provokante These kann und muss man angesichts der vorherigen Ausführungen aufstellen.

Wie eingangs erläutert, benötigt man zum Führen eines Kraftfahrzeugs nach § 2 Abs. 1 StVG eine Fahrerlaubnis. Genau wird formuliert:

Wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf der Erlaubnis (Fahrerlaubnis) der zuständigen Behörde (Fahrerlaubnisbehörde). Die Fahrerlaubnis wird in bestimmte Klassen eingeteilt. Nach Absatz 2 ist die Fahrerlaubnis für die jeweilige Klasse zu erteilen, wenn der Bewerber

1 …

3. zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, …

5. die Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in einer theoretischen und praktischen Prüfung nachgewiesen hat, …

Diese Formulierung ist auch in §§ 15 ff. FeV zu finden.

Bis zu einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h traut man nach der eKFV Personen ab Vollendung des 14. Lebensjahres zu (§ 3 eKFV und § 10 FeV), dass sie keine Fahrerlaubnis benötigen um ein solches Kraftfahrzeug stehend zu führen. Liegt die bbH darüber, ist eine Fahrerlaubnis jedoch (theoretisch) notwendig. Wenn das Fahrzeug unter keine der in § 6 Abs. 1 FeV genannten Klassen subsumiert werden kann, wenn selbst die Klasse B nicht ausreicht, dürfte es aber keine passende Fahrerlaubnisklasse für E-Scooter mit einer bbH von mehr als 20 km/h geben.

Ein Blick zurück in die Zeit vor der FeV, somit vor dem 1.1.1999, hätte weiterhelfen können. In § 5 StVZO a.F., waren die Fahrerlaubnisklassen 1, 1a, 1b, 2, 3, 4 und 5 genannt. Bei fast allen Klassen wurden technische Daten genannt, außer bei der Klasse 3. Dort war formuliert, "alle Kfz, die nicht zu einer der anderen Klassen gehören".[30] Bei den 17 Fahrerlaubnisklassen heute, werden überall technische Daten genannt, oder auf technische Daten verwiesen (Kl. AM).

Zieht man jedoch die oben genannten Vorgaben des § 2 StVG heran, so muss man konstatieren, dass die Frage, ob der Besitzer einer Fahrerlaubnis der Klasse B ein Kraftfahrzeug stehend fahren kann, wenn die bbH mehr als 20 und insbesondere mehr als 45 km/h beträgt, unbeantwortet bleiben muss. Denn es wird kaum denkbar sein, dass diese Kompetenz in einer Prüfung nachgewiesen wurde. Wenn aber für das Führen eines Kraftfahrzeugs eine Fahrerlaubnis, die Erlaubnis der Behörde ein Kraftfahrzeug zu führen, nicht erteilt werden kann, dann darf das Kraftfahrzeug auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum geführt werden.

[30] Kraftfahrt-Bundesamt – Zentrale Register – Fahrerlaubnisklassen in Deutschland vor dem 1.1.1999 (kba.de).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge