Es bleibt als letzte Variante für den E-Scooter die Einstufung als zweirädrige Kraftfahrzeuge der Klasse L1e-B nach Art. 4 Abs. 2 lit. a und b der VO (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.1.2013, oder als nicht EU-typgenehmigte Fahrzeuge mit den jeweils gleichen technischen Eigenschaften, wenn ihre Bauart Gewähr dafür bietet, dass sie auf ebener Fahrbahn bauartbedingt nicht schneller als 25 km/h fahren können.

Diese EU-Verordnung behandelt die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen. In dieser sind Bauarthinweise zu finden, darunter Geschwindigkeiten, Gewichte und andere technische Details. Sie ist allerdings nicht anzuwenden auf Fahrzeuge ohne Sitz und selbstbalancierende Fahrzeuge. Dies ist ausdrücklich in Art. 2 Abs. 2 lit. j und i VO (EU) Nr. 168/2013 geregelt. Artikel 4 VO (EU) Nr. 168/2013 wiederum behandelt die Fahrzeugklassen, von zweirädrigen bis hin zu vierrädrigen Fahrzeugen. Diese Bestimmung beinhaltet jedoch nicht alle technischen Merkmale, sondern verweist auf Anhang I der Verordnung.

Es stellt sich somit die Frage, ob motorbetriebene Zweiräder ohne Sitz, mit einer bbH von mehr als 20 aber nicht mehr als 25 km/h, ebenfalls fahrerlaubnisfrei i.S.d. § 4 FeV geführt werden dürfen. Die Einschränkung der eKFV erlaubt dies wie gesehen nicht. Infolge dessen käme nur die Heranziehung der VO (EU) Nr. 168/2013 in Betracht.

In der Literatur gibt es dabei durchaus Meinungen, die diese Vorgehensweise befürworten. Schäler[22] verweist darauf, dass die Fahrzeuge im Grunde der Möglichkeit nach § 4 Abs. 1. S. 2 Nr. 1b FeV zu untergliedern wären, weil in der Beschreibung der Fahrzeuge im Anhang zu Artikel 4 der VO (EU) 168/2013 kein Sitz gefordert wird. Dies ist vom Wortlaut her zwar richtig, denn zu L1-Fahrzeugen i.S.d. VO (EU) Nr. 168/2013, womit bestimmte Zweiräder gemeint sind, wird nichts zu Sitzen im Anhang ausgeführt, bei anderen Fahrzeugen jedoch schon. So wird z.B. bei dreirädrigen Kleinkrafträdern (L2e-Fahrzeuge i.S.d. VO (EU) Nr. 168/2013) festgestellt, dass diese höchstens zwei Sitze haben dürfen. Allerdings wird die Sitzproblematik an anderer Stelle, nämlich im Anhang II der VO (EU) Nr. 168/2013, deutlich angesprochen.[23] Dort wird unter B. festgehalten:

ANFORDERUNGEN FÜR DIE FUNKTIONALE SICHERHEIT DES FAHRZEUGS. Unter der laufenden Nr. 12 werden Sitzplätze (Sitze und Sättel) genannt. Dieses Erfordernis wird für alle L-Fahrzeuge gefordert.

Daher kann nur der Ansicht gefolgt werden, dass die VO (EU) Nr. 168/2013 für E-Scooter nicht greift, da sie nicht für Fahrzeuge ohne Sitz angewendet werden kann. Damit kann auch nicht der Anhang I der Verordnung herangezogen werden.

Ebenfalls genannt wird die Problematik in der Anlage XXIX zur StVZO. Darin werden die EG-Fahrzeugklassen aufgezählt. Im Abschnitt 2 werden zwei-, drei- und vierrädrige Kraftfahrzeuge genannt. Im Grunde sind die technischen Daten dem Anhang I der VO (EU) Nr. 168/2013 entnommen. Aufgeführt werden darin nach der Nennung der technischen Details der Fahrzeuge:

Diese Einteilung gilt nicht für die nachstehenden Fahrzeuge:

… i) selbstbalancierende Fahrzeuge;

j) Fahrzeuge, die nicht mindestens einen Sitzplatz haben; …

Auch nach dieser Verordnung können also E-Scooter (ohne Sitz) mit einer bbH bis 25 km/h nicht als fahrerlaubnisfrei definiert werden.

Sollten E-Scooter jedoch einen Sitz haben, egal ob ursprünglich oder weil nachträglich ein solcher angebaut wird, fallen sie schon deshalb nicht unter die eKFV, es sei denn, sie wären zusätzlich selbstbalancierend, was dann aber die Bezeichnung als E-Scooter unzulässig machen würde, siehe oben. Für diesen Fall wäre aber auch die VO (EU) Nr. 168/2013 nicht anwendbar, weil sie selbstbalancierende Fahrzeuge ebenfalls ausnimmt.

Dass E-Scooter mit einer bbH von mehr als 20 km/h somit nicht fahrerlaubnisfrei i.S.d. § 4 FeV geführt werden dürfen, stellte auch Huppertz[24] fest. Nunmehr soll erörtert werden, ob es eine passende Fahrerlaubnis gibt.

Von der hier besprochenen Thematik ist noch der Sonderfall abzugrenzen, dass jemand seinen E-Scooter mit einem Sitz versieht: Für diesen Eigenbau wären dann zwar die Bedingungen der VO (EU) 168/2013 erfüllt, auch wenn eine Typgenehmigung nicht vorliegt, und die Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1b FeV wäre einschlägig. Denn der Verordnungstext ermöglicht auch die Fahrerlaubnisfreiheit, wenn die Fahrzeuge baugleich der Verordnung sind, auch wenn keine EU-Typgenehmigung vorliegt.[25] Nicht mehr subsumiert werden kann dieses Fahrzeug aber unter die eKFV.

[22] Schäler, Fahrerlaubnisrechtliche Einordnung von Elektro-Tretrollern mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 45 km/h, NZV 2020, 290 ff.
[23] Die Anwendung dieses Anhangs lehnt Schäler ab; NZV 2020, 290, 291.
[24] VD 2020, S. 5 ff, und NZV 2021, 569.
[25] Auszug aus der amtl. Begründung, BR-Drucks 78/14, S. 55: Das bedeutet, dass solche Kleinkrafträder zwar gedrosselt werden dürfen, sie aber ihre EG-Schlüsselung als Zweirädrige Kle...

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