BGB § 929 S. 1 § 932 Abs. 1 § 932 Abs. 2 § 952 § 985; UStDV § 17a Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 286

Leitsatz

Beruft sich der Erwerber eines gebrauchten Fahrzeugs auf den gutgläubigen Erwerb, trägt derjenige, der den guten Glauben in Abrede stellt, die Beweislast dafür, dass der Erwerber sich die Zulassungsbescheinigung Teil II zur Prüfung der Berechtigung des Veräußerers nicht hat vorlegen lassen. Den Erwerber trifft allerdings regelmäßig eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II.(Rn.19)

BGH, Urt. v. 23.9.2022 – V ZR 148/21

1 Sachverhalt

[1] Die Klägerin, eine Gesellschaft italienischen Rechts, die Fahrzeuge in Italien vertreibt, kaufte im März 2019 unter Einschaltung eines Vermittlers ein Fahrzeug von einem Autohaus, bei dem das Fahrzeug stand. In dem Kaufvertrag heißt es, dass die Zulassungsbescheinigung Teil II nach Erhalt der Gelangensbestätigung an die Klägerin übersandt werde. Eigentümerin des Fahrzeugs war die Beklagte, die es an das Autohaus verleast hatte und die auch im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist. Nach Zahlung des Kaufpreises von 30.800 EUR holte der Vermittler Anfang April 2019 das Auto bei dem Autohaus ab und verbrachte es zu der Klägerin nach Italien. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Vermittler eine hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war. Als die Klägerin ein weiteres Fahrzeug von dem Autohaus kaufen wollte, war es geschlossen. Gegen den Geschäftsführer wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts in über 100 Fällen eingeleitet.

[2] Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II. Die Beklagte erstrebt mit der Widerklage die Herausgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

2 Aus den Gründen:

[3] A. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in MDR 2021, 1263 veröffentlicht ist, meint, die Klägerin könne von der Beklagten gemäß § 985 BGB die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen, weil sie Eigentümerin des Fahrzeugs geworden sei und das Eigentum an den Fahrzeugpapieren dem Eigentum an dem Fahrzeug folge (§ 952 BGB entsprechend). Die Klägerin, zu deren Gunsten bereits die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB streite, habe das Eigentum an dem Fahrzeug gemäß § 929 Satz 1, § 932 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB, § 366 HGB gutgläubig erworben. Sie wäre allerdings dann nicht in gutem Glauben gewesen, wenn dem Vermittler bei Übergabe des Fahrzeugs die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegt worden wäre. Die Beweislast dafür liege jedoch bei der Beklagten, und diese habe keinen Beweis angeboten. Die Klägerin treffe nur eine sekundäre Darlegungslast. Dieser habe sie genügt, indem sie dargelegt habe, dass dem Vermittler eine hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt und von diesem geprüft worden sei. Aus dem von der Klägerin geschilderten Sachverhalt ergäben sich auch in der Gesamtschau keine besonderen Umstände, die den Verdacht hätten erregen müssen, das Autohaus sei Nichtberechtigte. An dem guten Glauben der Klägerin fehle es insbesondere nicht deshalb, weil die Zulassungsbescheinigung Teil II dem Vermittler nicht ausgehändigt worden sei. Im internationalen Kfz-Handel sei es üblich, die Papiere bis zum Erhalt der Gelangensbestätigung (§ 17a UStDV) zurückzubehalten. So sehe es auch der Kaufvertrag ausdrücklich vor. Der Annahme eines solchen Brauchs sei die Beklagte nicht entgegengetreten.

[4] Die auf Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Widerklage sei nicht begründet. Ein Anspruch der Beklagten aus § 985 BGB bestehe nicht, weil sie nicht Eigentümerin des Fahrzeugs sei.

[5] B. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

[6] I. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. Senat, Urt. v. 18.7.2008 – V ZR 11/08, NJW 2008, 3502 Rn 6 m.w.N.) internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Für die Klage sind die deutschen Gerichte nach Art. 4 Abs. 1, Art. 63 Abs. 1a) der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVVO) zuständig, weil sich der satzungsmäßige Sitz der Beklagten in Deutschland befindet. Für die Widerklage ergibt sich die Zuständigkeit aus Art. 8 Nr. 3 EuGVVO.

[7] II. Klage

[8] Das Berufungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

[9] 1. Zutreffend und von der Revision nicht beanstandet beurteilt das Berufungsgericht die Frage, ob die Klägerin das E...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge