Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat sich im vergangenen Herbst auch mit der Anhebung der Streitwertgrenze für die Amtsgerichte befasst. Hintergrund hierfür sind zum einen die überproportional rückläufigen Eingangszahlen in Zivilsachen bei den Amtsgerichten im Vergleich zu den Landgerichten und zum anderen die Geldwertentwicklung seit der letzten Anpassung des Zuständigkeitsstreitwertes.

Daneben soll die Verlagerung von streitwertunabhängigen Zuständigkeiten an die Amtsgerichte in Betracht gezogen werden. Nicht ganz beiläufig werden in diesem Zusammenhang Verkehrsunfallsachen genannt.

Nun werden sich alle mit Verkehrsunfallsachen befassten Kolleginnen und Kollegen sicher grundsätzlich nicht gegen eine Spezialzuständigkeit bei den Gerichten zur Wehr setzen. Im Gegenteil, sie werden sie ausdrücklich begrüßen. Es muss aber kritisch hinterfragt werden, ob das Amtsgericht hierfür der richtige Ort ist.

Damit soll keinesfalls zum Ausdruck gebracht werden, dass die dort tätigen Richterinnen und Richtern nicht in der Lage sind, diese Materie zu beherrschen. Es gibt aber überzeugende Gründe, Verkehrsunfallsachen beim Landgericht anzusiedeln.

Viele denken bei Verkehrsunfallsachen zunächst an Streitigkeiten über einen Blechschaden nach einem wie auch immer gearteten Verkehrsverstoß. Aber bereits hier gibt es spezielle Fragestellungen, deren Beantwortung nicht immer einfach ist. Kommt dann noch ein Personenschaden hinzu, wird die Materie komplex. Es sind dann zusätzlich medizinische Fragestellungen zu beachten. Schnell spielen in solchen Fällen auch weitere Rechtsgebiete, wie das Versicherungsrecht und das Sozialrecht (z.B. hinsichtlich der Aktivlegitimation oder eines Haftungsausschlusses), eine große Rolle. Nicht von ungefähr gibt es daher bei den Landgerichten Spezialzuständigkeiten für das Medizinrecht und das Versicherungsrecht.

Insbesondere bei Verkehrsunfallsachen mit Personenschäden kann es zu langen Verfahrensdauern kommen. Zu denken ist in erster Linie an Fälle, bei denen es um Unfallverletzte mit Querschnittlähmungen und Todesfällen geht. Es ist fraglich, ob die Amtsgerichte hierfür ausgelegt sind, zumal Verkehrsunfälle mit Personenschäden nicht nur Einzelfälle darstellen. Viele Assessoren-Stellen befinden sich bei den Amtsgerichten. Damit einhergehende, häufigere Stellenwechsel tragen zu einer Verlängerung der Verfahren bei. Es ist zu erwarten, dass diese in einer landgerichtlichen Spezialkammer zügig zum Abschluss gebracht werden können. Oft hilft es auch, wenn nicht nur die Einzelrichterin/der Einzelrichter verhandelt, sondern die Kammer.

Die Verkehrsunfallsachen bei den Landgerichten anzusiedeln, führt auch zu einer – stets wünschenswerten – Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Denn die Zahl der Berufungsgerichte, die über Entscheidungen in Verkehrsunfallsachen zu urteilen hätten, verringert sich dadurch signifikant. Der jetzt häufig bei der Rechtsprechung in Verkehrsunfallsachen anzutreffende Flickenteppich kann damit vermieden werden. Für alle im Bereich des Verkehrsrechts tätigen Juristinnen und Juristen wäre dies eine Vereinfachung ihrer Arbeit.

Zu guter Letzt spricht auch der Anwaltszwang beim Landgericht dafür, Verkehrsunfallsachen nicht beim Amtsgericht anzusiedeln. Gerade bei Personenschäden kann es nicht gewollt sein, dass die klagende Partei sich selbst vertritt. Hierfür sind die Fälle zu kompliziert und manchmal auch zu emotionsgeladen. Es ist besser, wenn sich die Parteien in diesen Fällen an kundige Verkehrsanwältinnen und Verkehrsanwälte wenden müssen.

Autor: Martin Diebold

RA Martin Diebold; FA für Verkehrsrecht, Tübingen

zfs 2/2023, S. 61

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