Einführung

Der nachfolgende Beitrag bietet einen Überblick über die Rechtsprechung des 4. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs aus jüngerer Zeit zum Haftpflichtversicherungsrecht, und zwar aus Anlass eines Vortrags auf dem 6. Verkehrsrechtssymposium[2] zum Kfz-Haftpflichtversicherungsrecht.

Mit Ausnahme des letzten Falls geht es bei allen Fällen auch um Fragen im Zusammenhang mit der nicht ganz einfachen Bestimmung des anwendbaren Rechts nach einem Verkehrsunfall in Deutschland unter Beteiligung jedenfalls eines ausländischen Kfz-Haftpflichtversicherers. Der erste Fall betrifft Fragen der Anwendung litauischen.

[2] Der Beitrag beruht auf einem Vortrag anlässlich des 6. Verkehrsrechtssymposiums in Mainz im Oktober 2021. Die nachfolgend aufgeführten Entscheidungen sind teilweise deutlich gekürzt.

I. Zur Anwendung litauischen Rechts in Deutschland

LS 1: Zur Anwendung litauischen Rechts auf den Regressanspruch des litauischen Kfz-Haftpflichtversicherers eines in Litauen zugelassenen Kraftfahrzeugs gegen eine Fahrzeugführerin, die mit dem Fahrzeug in Deutschland unter Alkoholeinfluss einen Unfall verursacht hat.

LS 2: Zur ermessensfehlerhaften Ermittlung ausländischen Rechts durch den deutschen Tatrichter.

Die Klägerin, ein in Litauen ansässiger Haftpflichtversicherer, macht gegen die Beklagte als mitversicherte Fahrzeugführerin einen Regressanspruch nach einem Verkehrsunfall geltend.

Die Beklagte fuhr unter Alkoholeinfluss (mittlerer BAK von 1,91 ‰) in Berlin mit einem in Litauen zugelassenen Auto und kollidierte mit einem anderen Fahrzeug. Das Fahrzeug der Beklagten ist bei der Klägerin mit Versicherungsvertrag mit der in Litauen wohnhaften Fahrzeughalterin haftpflichtversichert. Die Klägerin ließ den Schaden des Unfallgegners regulieren. Sie meinte, die Beklagte sei verpflichtet, ihr den geleisteten Schadensersatz sowie die entstandenen Abwicklungskosten in voller Höhe zu erstatten. Das ergäbe sich aus dem im Streitfall anwendbaren litauischen Recht.

Das Landgericht hat die auf Zahlung von rund 6.306 EUR und Verzugszinsen gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr überwiegend stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von rund 5.558 EUR nebst Zinsen verurteilt.

Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Diese führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils[4] und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht im Ergebnis allerdings angenommen, dass die Berechtigung des von der Klägerin erhobenen Anspruchs maßgeblich nach litauischem Recht zu beurteilen ist; soweit sie davon abhängt, ob und in welchem Umfang die Beklagte nach dem insoweit gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO anwendbaren deutschen Recht[5] gegenüber dem Unfallgegner haftet, steht ihre Einstandspflicht (§ 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB) außer Streit. Die Anwendbarkeit des litauischen Rechts auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien ergibt sich aus Art. 46d EGBGB (vormals Art. 46c EGBGB), der in Ausübung der Ermächtigung in Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) Rom I-VO erlassen worden ist.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass für das Schuldverhältnis hier der Anwendungsbereich der Rom I-VO, die im Unterschied zur Rom II-VO vertragliche Schuldverhältnisse betrifft,[6] eröffnet ist. Dabei kann offenbleiben, ob Grundlage des Anspruchs der Klägerin ein gesetzlicher Übergang der Forderung des Unfallgegners gegen die Beklagte oder eine originär eigene Forderung der Klägerin ist.

Im ersten Fall folgt die Anwendbarkeit der Rom I-VO aus Art. 19 Rom II-VO, der in Abgrenzung zu Art. 15 Rom I-VO aufgrund des außervertraglichen Charakters der Forderung des Unfallgegners gegen die Beklagte einschlägig ist. Die Vorschrift sieht vor, dass das für die Schadensersatzpflicht des Dritten, d.h. des Haftpflichtversicherers, gegenüber dem Geschädigten maßgebende Recht regelt, ob und in welchem Umfang ein Eintritt in die Rechte dieses Geschädigten möglich ist.[7] Die Verpflichtung der Klägerin hat ihren Ursprung in dem zwischen ihr und der Fahrzeughalterin abgeschlossenen Versicherungsvertrag und ist deshalb als vertraglich im Sinne der Rom I-VO zu qualifizieren.[8]

Nichts anderes ergibt sich im zweiten Fall. Zwar richtet sich ein originär eigener Regressanspruch des Rückgriffgläubigers nach verbreiteter Auffassung nicht nach Art. 19 Rom II-VO (oder nach Art. 15 Rom I-VO), sondern nach dem Statut, welches das Verhältnis zwischen dem Rückgriffgläubiger und dem Rückgriffschuldner beherrscht.[9] Aber das Rückgriffverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ebenfalls als vertraglich zu qualifizieren. Es hat ebenso wie die Verpflichtung der Klägerin, den Unfallgegner der Beklagten zu befriedigen, seinen Ursprung in dem Versicherungsvertrag.[10]

b) Knüpft die vertragliche Qualifizierung des Verhältnisses der Parteien danach an den Umstand an, dass es seinen Ursprung in dem Versicherungsvertrag hat, richtet sich das anwendbare Recht nach Art. 7 Rom I-VO.[11] Gemäß Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) Rom I-VO, Art. 46d ...

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