LS: Wird ein kaskoversichertes Fahrzeug, welches bei einem Unfall beschädigt oder zerstört wurde, nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert oder kann der Versicherungsnehmer nicht durch eine Rechnung die vollständige Reparatur nachweisen, so ist, wenn sich der Versicherungsnehmer entschließt, das beschädigte oder zerstörte Fahrzeug nicht zu veräußern, bei der fiktiven Bestimmung des Restwertes des Fahrzeugs lediglich der regionale Markt für den Aufkauf solcher Fahrzeuge am Sitz des Versicherungsnehmers in den Blick zu nehmen.

Die Parteien streiten über die Höhe der Versicherungsleistung aus einer von der Klägerin bei der Beklagten gehaltenen Kfz-Kaskoversicherung. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Fahrzeugs, das bei einem Verkehrsunfall im November 2017 beschädigt wurde. Die Beklagte holte ein Schadengutachten ein, in dem der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs mit 10.500 EUR, sein Restwert auf der Basis eines überregionalen Marktes mit 5.799 EUR und die Reparaturkosten unter Zugrundelegung der Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt mit 9.137,53 EUR netto bzw. 10.873,66 EUR brutto ausgewiesen wurden.

In den Versicherungsbedingungen (im Folgenden: AKB) heißt es u.a.:

Zitat

A.2.6.1

Was versteht man unter Totalschaden, Wiederbeschaffungswert, Restwert und Neupreis?

e Ein Totalschaden liegt vor, wenn die erforderlichen Kosten der Reparatur des Fahrzeugs dessen Wiederbeschaffungswert übersteigen.

Wiederbeschaffungswert ist der Preis, den Sie für den Kauf eines gleichwertigen Fahrzeugs am Tag des Schadenereignisses bezahlen müssten.

Restwert ist der Veräußerungswert des Fahrzeugs im beschädigten oder zerstörten Zustand.

A.2.6.2 Was zahlen wir bei Beschädigung?

Reparatur

a Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:

Wird das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert, zahlen wir die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts, wenn Sie uns dies durch eine Rechnung nachweisen.
Wird das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert oder können Sie nicht durch eine Rechnung die vollständige Reparatur nachweisen, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts.

A.2.10 Meinungsverschiedenheit über die Schadenhöhe (Sachverständigenverfahren)

A.2.10.1 Bei einer Meinungsverschiedenheit über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswerts oder über den Umfang der erforderlichen Reparaturarbeiten entscheidet ein Sachverständigenausschuss.

A.2.10.2 Für den Ausschuss benennen Sie und wir je einen Kfz-Sachverständigen. …

A.2.10.3 Soweit sich der Ausschuss nicht einigt, entscheidet ein weiterer Kfz-Sachverständiger als Obmann, …

A.2.10.4 Die Kosten des Sachverständigenverfahrens sind im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen von uns bzw. von Ihnen zu tragen.“

Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug in Eigenregie instandsetzen, eine Rechnung existiert nicht. Die Beklagte rechnete den Schaden als Totalschaden ab und zahlte an die Klägerin 4.401 EUR (10.500 EUR Wiederbeschaffungswert – 5.799 EUR Restwert – 300 EUR Selbstbeteiligung).

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin in der Hauptsache Zahlung weiterer 2.377,71 EUR. Die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung auf der Basis eines Totalschadens sei nicht gerechtfertigt, denn sie habe sowohl den Restwert ihres Fahrzeugs, der nur 3.400 EUR betragen habe, als auch die Reparaturkosten zu hoch veranschlagt. Das ca. zehn Jahre alte Fahrzeug sei nicht scheckheftgepflegt gewesen, deshalb seien auch nur die Reparaturkosten einer nicht markengebundenen Werkstatt mit einem Stundenverrechnungssatz von 98 EUR netto in Ansatz zu bringen, woraus sich ausweislich eines von ihr eingeholten Kostenvoranschlages Reparaturkosten von lediglich 7.078,71 EUR netto ergäben. Der von der Beklagten ermittelte Restwert sei ebenfalls zu hoch angesetzt, da das Gutachten auch den überregionalen Markt berücksichtigt und der Sachverständige nicht mindestens drei Angebote eingeholt habe. Die Klägerin meint, ihr ständen der Ersatz von 7.078,71 EUR Reparaturkosten abzüglich 300 EUR Selbstbeteiligung, mithin 6.778,71 EUR zu. Unter Abzug von der Beklagten geleisteter 4.401 EUR ergebe sich die Klageforderung von 2.377,71 EUR.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Diese führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage allerdings nicht an deren Unzulässigkeit scheitern lassen, denn selbst wenn die Klägerin nach A.2.10.1 AKB gehalten gewesen wäre, das dort geregelte Sachverständigenverfahren einzuleiten, hätte die Nichtbeachtung dieser Regelung nicht die Unzulässigkeit der Klage zur Fol...

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