StVG § 3 Abs. 1 S. 1 und 2; FeV § 11 Abs. 7 § 46 Abs. 1 § 3 § 5 § 6 S. 2 § 47 Abs. 2; FeV Anlage 4 zur Nr. 9.1

Leitsatz

Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln stellt grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Die unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Daher muss, wer sich darauf beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (st. Rspr.). (Leitsatz der Schriftleitung)

BayVGH, Beschl. v. 25.11.2021 – 11 CS 21.2423, 11 C 21.2422

1 Aus den Gründen:

Zitat

… II. 1. … Nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG v. 5.3.2003 (BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zuletzt geändert durch Gesetz v. 16.4.2021 (BGBl I S. 822), und § 46 Abs. 1 S. 1 FeV v. 13.12.2010 (BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz v. 16.4.2021 (BGBl I S. 822), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, was auf dem Führerschein durch einen Sperrvermerk in Form eines roten, schräg durchgestrichenen “D' kenntlich gemacht wird (§ 3 Abs. 1 S. 2 StVG, § 46 Abs. 5, § 47 Abs. 2 FeV). Es erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland (§ 46 Abs. 6 S. 2 FeV).

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kfz ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG (ausgenommen Cannabis), hier Metamphetamin und Amphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage II und III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (st. Rspr., vgl. BayVGH, Beschl. v. 19.11.2021 – 11 CS 21.2215 – juris Rn 19; 30.8.2021 – 11 CS 21.1933 – juris Rn 9 jeweils m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, jeweils a.a.O.).

Zwar setzt die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Die unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Daher muss, wer sich darauf beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (st. Rspr., vgl. BayVGH, Beschl. v. 19.11.2021 – 11 CS 21.2215 – juris Rn 20 m.w.N.; zur Rspr. weiterer Obergerichte vgl. OVG Saarland, Beschl. v. 2.9.2021 – 1 B 196/21 – juris Rn 47; OVG NW, Beschl. v. 20.9.2020 – 16 B 655/20 – juris Rn 4 ff.; Beschl. v. 7.4.2014 – 16 B 89/14 – Blutalkohol 51, 196 = juris Rn 8 f.; OVG Bremen, Beschl. v. 12.2.2016 – 1 LA 261/15 – juris Rn 6; OVG Berlin-Bbg, Beschl. v. 9.2.2015 – 1 M 67.14 – VerkMitt 2015, Nr. 38 = juris Rn 4; SächsOVG, Beschl. v. 16.12.2014 – 3 B 127/14 – Blutalkohol 52, 290 = juris Rn 5; OVG MV, Beschl. v. 28.1.2013 – 1 M 97/12 – Blutalkohol 50, 1 = juris Rn 8 f.). …

… Im Übrigen sprechen auch die wechselnden Angaben gegenüber der Polizei gegen die Glaubhaftigkeit der späteren Darstellung, unbewusst Metamphetamin aufgenommen zu haben. Danach räumte der Antragsteller während der Verkehrskontrolle zunächst ein, vor kurzem Betäubungsmittel konsumiert zu haben, ohne sich insoweit auf bestimmte Betäubungsmittel festzulegen. Nur wenig später stritt er den Konsum pauschal ab, obwohl der Drogenwischtest positiv auf Cannabinoide und auf Metamphetamin/Amphetamin verlaufen war. Zu diesem Zeitpunkt wären differenziertere Angaben wie der angebliche Konsum eines Joints in der Gruppe am 27.2.2021 und der ausschließliche gelegentliche Cannabiskonsum vom Antragsteller, der sich als Betroffener äußern wollte, zu erwarten gewesen …

zfs 2/2022, S. 114

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