Das Urteil des OLG Frankfurt ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert und geht neue Wege. Es enthält wichtige Klarstellungen zum Haftungsgrund und ist insgesamt ebenso ausführlich und gut begründet wie wegweisend.

Zunächst erteilt das OLG der oft bemühten "Abstrakten Betriebsgefahr" im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 StVG eine Absage. Das ist richtig. Der Gesetzgeber hat keine abstrakte, sondern in jeder Unfallsituation eine konkrete Gefahr gesehen, die vom Betrieb eines Kraftfahrzeuges ausgeht. Diese konkrete Gefahr ist in die Haftungsabwägung einzustellen. Je nach den Umständen des Einzelfalls ist die Betriebsgefahr erhöht oder kann im Rahmen der Haftungsabwägung zurücktreten.

Das OLG Frankfurt sieht mit anderen Obergerichten einen Anscheinsbeweis, der gegen denjenigen spricht, der im fließenden Verkehr wendet.[1] Auch das ist richtig.

Als erstes Obergericht gibt das OLG Frankfurt bei der Bemessung des Haushaltsführungsschadens den Tabellen von Schah Sedi[2] den Vorzug vor denen von Pardey.[3] Dieser Schritt wird zu Recht damit begründet, dass das Werk von Pardey auf veralteten Erhebungen beruht. Diese Erhebungen sind zum Teil aus dem Jahr 1991 und werden demnächst 30 Jahre alt.[4] Das OLG trägt der Weiterentwicklung von Haushalten Rechnung. Es geht von einem zeitgemäß ausgestatteten Haushalt aus, in dem sich moderne Geräte finden. Daher nimmt das OLG praxisnah richtig an, dass heute im Haushalt weniger körperliche Arbeit als früher erbracht wird. Das OLG setzt sich sehr kritisch mit den Tabellen von Pardey auseinander und gibt nach ausführlicher Diskussion richtigerweise den Tabellen von Schah Sedi den Vorzug. Die Anwendung dieser Tabellen führt dazu, dass von geringeren Stundenzahlen bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens auszugehen ist. Das entspricht der modernen Lebenswirklichkeit.

In dieser Entscheidung legt das OLG Frankfurt auch einen neuen Stundensatz bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens zu Grunde. Es nimmt grundsätzlich den Mindestlohn (zum Unfallzeitpunkt 8,50 EUR) an. Bei Haushalten mit höheren Einkommen und besserer maschineller Ausstattung ist das OLG konsequent. Es erhöht den Stundensatz auf 10 EUR und begründet das damit, dass in einem technisch gut ausgestatteten Haushalt (in dem heute häufig Geräte wie Thermomix und andere nützliche Helfer stehen) die Anforderungen an eine Ersatzkraft höher sind. Das ist in sich schlüssig. Geringerer Aufwand bei der Haushaltsführung durch Zuhilfenahme von Geräten bedingt eine höhere Kompetenz.

Das OLG hat ausdrücklich den vormals zugrunde gelegten Stundensatz von 6,26 EUR aufgegeben. Dieser Satz wurde unter Berufung auf die vormalige Rechtsprechung immer wieder bei der Schadensregulierung von Schädigerseite eingewandt. Er ist nunmehr vom Tisch.

Das OLG legt der Berechnung den auch von anderen Obergerichten bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens angewandten Stundensatz von 8,50 EUR. Es kommt allerdings nur deshalb auf diesen Betrag, weil das der zum unfallzeitpunkt gültige Mindestlohn war. Dieser ist zwischenzeitlich erhöht, so dass bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens der jeweils gültige Mindestlohn zugrunde zu legen ist. Bei der fiktiven Abrechnung sind ersparte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht zu erstatten. Daher sind Nettobeträge zugrunde zu legen. Bis zum erreichen der Geringverdienstgrenze ist brutto gleich netto, darüber hinaus sind Abzüge vorzunehmen.

Es ist für die Schadensregulierung zu begrüßen, dass der Mindestlohn bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens Einzug gehalten hat. Nur die Anwendung des Mindestlohns steht mit den Grundsätzen der Entschädigung des Haushaltsführungsschadens in Einklang.

Das OLG Frankfurt geht bei der Berechnung des Schmerzensgeldes einen völlig neuen Weg. Hat der 15. Deutsche Verkehrsgerichtstag 1977 es noch abgelehnt, den Ersatz des Schmerzensgeldes in einem Berechnungsschema festzulegen,[5] ließ der 52. Deutsche Verkehrsgerichtstag neue Lösungsansätze ausdrücklich zu.[6] Anlässlich des Verkehrsgerichtstages 2014 lag das vom OLG Frankfurt angewandte Schmerzensgeldmodell von Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi vor. Es wurde ausführlich diskutiert und hat nun erstmals Eingang in die obergerichtliche Rechtsprechung gefunden.

Auf den ersten Blick stellt das Modell eine erhebliche Vereinfachung der Berechnung des Schmerzensgeldes dar. Es setzt sich damit dem Verdacht der Verkürzung aus und scheint keine Einzelfallgerechtigkeit zu ermöglichen. Das ist jedoch nicht richtig. Vielmehr ist es in der Praxis zu beobachten, dass Schmerzensgelder bei vergleichbaren Sachverhalten oder gar im selben Fall, nur in unterschiedlichen Instanzen, sehr unterschiedlich ausfallen. Das betrifft sowohl Fälle geringerer Verletzungen wie das HWS-Schleudertrauma, bei dem verschiedene Gerichte zum Teil unterschiedlich hohe "Wochensätze" für Arbeitsunfähigkeitszeiten festlegen, als auch Fälle schwerster Verletzungen. Nur scheinbar vorhersehbarer wird die Entscheidung durch das Zitat aus T...

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