Recht wenig beachtet wurde bisher eine im Berichtszeitraum ergangene Entscheidung des EuGH vom 31.5.2018[48] mit weitreichenden Konsequenzen für den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung. Die Klägerin hatte einen Flug von Berlin nach Agadir (Marokko) mit Zwischenlandung und Umsteigen in Casablanca (Marokko) gebucht. Als sie sich in Casablanca am Flugsteig der Maschine nach Agadir einfand, verweigerte ihr die Fluggesellschaft die Beförderung mit der Begründung, dass ihr Sitzplatz anderweitig vergeben worden sei. Die Klägerin wurde schließlich mit einer anderen Maschine befördert und erreichte Agadir vier Stunden später als ursprünglich vorgesehen. Die geltend gemachte Ausgleichsleistung wurde vom Luftfahrtunternehmen verweigert, weil nach dortiger Ansicht der Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung nicht gegeben sei. Die Verordnung gilt nicht für Flüge, die vollständig außerhalb der Europäischen Union erfolgen. Da die Flughäfen von Casablanca und Agadir in Marokko liegen, hängt die Anwendbarkeit der Verordnung davon ab, ob die beiden Flugsegmente, die Gegenstand einer einzigen Buchung waren, als ein einziger Flug mit Abflugort in einem Mitgliedstaat (Deutschland) anzusehen sind oder ob sie getrennt zu betrachten sind. Dazu entschied der EuGH jetzt, dass die Verordnung für eine Fluggastbeförderung gilt, die aufgrund einer einzigen Buchung erfolgt und zwischen dem Abflug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats und der Ankunft auf einem Flughafen im Gebiet eines Drittstaats eine planmäßige Zwischenlandung außerhalb der Union mit einem Wechsel des Fluggeräts umfasst. Zwei (oder mehr) Flüge, die wie im vorliegenden Fall Gegenstand einer einzigen Buchung waren, stellen in Bezug auf den Ausgleichsanspruch von Fluggästen eine Gesamtheit dar. Diese Flüge sind somit als ein und derselbe "Flug mit Anschlussflügen" anzusehen. Daran ändert auch der Wechsel des Fluggeräts nichts. Der Beförderungsvorgang ist als ein einziger Flug zu betrachten und unterliegt somit der Verordnung.[49]

[48] EuGH (Achte Kammer), Urt. v. 31.5.2018 – Rs. C-537/17 "Claudia Wegener / Royal Air Maroc SA" (PM Nr. 77/18), DAR 2018, 440 m. Anm. Stamer = NJW 2018, 2032 m. Anm. Degott = RRa 2018, 179 = TranspR 2018, 452.
[49] Ebenso auch schon HG Wien, Urt. v. 27.10.2015 – 1 R 136/15v, RRa 2016, 48; LG Kroneuburg v. 22.1.2016 – 22 R 141/15p; unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früher gegenteiligen Rechtsprechung BG Schwechat, Urt. aus 2016 – 4 C 540/15t, RRa 2016, 255, 256 f.; Hausmann, Europäische Fluggastrechte im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung und großer Verspätung von Flügen, 2012, S. 138, 155 f.; Staudinger/Keiler, FluggastVO, 2016, Art. 3 Rn 52-57; a.A. jedoch BGH, Urt. v. 30.4.2009 – Xa ZR 78/08, NJW 2009, 2790; v. 13.11.2012 – X ZR 12/12; v. 7.5.2013 – X ZR 127/11, RRa 2013, 237; LG Berlin, Hinweis v. 24.2.2017 – 84 S 102/16; AG Charlottenburg, Urt. v. 21.9.2016 – 204 C 81/16.

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