Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Begriff ‚direkte Anschlussflüge’. Flug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats mit Anschlussflug von einem Flughafen im Gebiet eines Drittstaats und einem anderen Flughafen dieses Drittstaats als Endziel

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 3 Abs. 1

 

Beteiligte

Wegener

Claudia Wegener

Royal Air Maroc SA

 

Tenor

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass diese Verordnung für eine Fluggastbeförderung gilt, die aufgrund einer einzigen Buchung erfolgt und zwischen dem Abflug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats und der Ankunft auf einem Flughafen im Gebiet eines Drittstaats eine planmäßige Zwischenlandung außerhalb der Europäischen Union mit einem Wechsel des Fluggeräts umfasst.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 5. September 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 12. September 2017, in dem Verfahren

Claudia Wegener

gegen

Royal Air Maroc SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Malenovský (Berichterstatter) sowie der Richter D. Šváby und M. Vilaras,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Wegener, vertreten durch Rechtsanwältin F. Puschkarski,
  • der Royal Air Maroc SA, vertreten durch Rechtsanwalt D. Ahrens,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson und K.-P. Wojcik als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Claudia Wegener und der Royal Air Maroc SA über eine beantragte Ausgleichsleistung wegen großer Verspätung eines Fluges.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Nach Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) der Verordnung Nr. 261/2004 bezeichnet der Begriff

„h) ‚Endziel’ den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges …”.

Rz. 4

Art. 3 („Anwendungsbereich”) Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:

„Diese Verordnung gilt

  1. für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;
  2. sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.”

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

Rz. 5

Frau Wegener schloss mit Royal Air Maroc einen Luftbeförderungsvertrag in Gestalt einer einzigen Buchung, die ihr ermöglichte, von Berlin (Deutschland) nach Agadir (Marokko) zu reisen, und die eine Zwischenlandung in Casablanca (Marokko) mit einem Wechsel des Fluggeräts vorsah.

Rz. 6

Nachdem die Buchung bestätigt worden war und Frau Wegener für die gesamte Strecke am Flughafen von Berlin eingecheckt hatte, flog sie mit einer verspätet startenden Maschine der Royal Air Maroc nach Casablanca. Nach ihrer Ankunft in Casablanca fand sie sich am Flugsteig der Maschine nach Agadir ein. Ihr wurde jedoch von Royal Air Maroc die Beförderung mit der Begründung verweigert, dass ihr Sitzplatz anderweitig vergeben worden sei. Frau Wegener flog schließlich mit einer anderen Maschine der Royal Air Maroc und erreichte Agadir vier Stunden später als ursprünglich vorgesehen.

Rz. 7

Frau Wegener begehrt eine Ausgleichsleistung wegen dieser Verspätung. Royal Air Maroc lehnt eine Leistung jedoch ab, weil Frau Wegener keinen Ausgleichsanspruch nach der Verordnung Nr. 261/2004 habe.

Rz. 8

Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht Berlin (Deutschland) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Liegt ein Flug im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 vor, wenn der Beförderungs...

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