BGB § 393

Das Verbot der Aufrechnung gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gilt auch dann, wenn sich zwei Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gegenüber stehen, die aus einem einheitlichen Lebensverhältnis resultieren.

BGH, Beschl. v. 15.9.2009 – VI ZA 13/09

Der Kläger erlitt bei einer tätlichen Auseinandersetzung einen Kieferbruch, der beklagte Kontrahent u.a. eine Gehirnerschütterung. Er machte ein Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten hinsichtlich künftiger materieller und immaterieller Schäden geltend. Der Beklagte begehrte Klageabweisung und rechnete hilfsweise mit eigenen Schadensersatzansprüchen aus der Auseinandersetzung auf. Das LG ging von einem Mitverschulden des Klägers von einem Viertel aus und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 2.350 EUR. Weiterhin gab es dem Feststellungsantrag mit einer Quote von 75 % statt. Auf die Berufung des Klägers verneinte das Berufungsgericht ein Mitverschulden des Klägers und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 EUR; weiterhin gab es dem Feststellungsantrag des Klägers in voller Höhe statt. Die Berufung des Beklagten wies das Berufungsgericht zurück. Es ging davon aus, dass die Hilfsaufrechnung des Beklagten wegen des in § 393 BGB enthaltenen Aufrechnungsverbotes durchgreift. Die Revision wurde von dem OLG zugelassen, soweit sich der Beklagte durch die Aufrechnung mit der Gegenforderung verteidigt hatte. Der BGH wies den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten für die beabsichtigte Revision zurück.

Aus den Gründen:

[3] “Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 S. 1 ZPO).

[4] 1. Zwar ist die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht einer Revision in aller Regel dann zu bejahen, wenn eine schwierige, bislang ungeklärte Frage des materiellen Rechts zu entscheiden ist und Grundsätze für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung zu entwickeln sind (vgl. BGH, Beschl. v. 31.7.2003, NJW-RR 2003, 1438). Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 393 BGB ist die Aufrechnung gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht zulässig (RG, Urt. v. 6.12.1928, RGZ 123, 6). Dieses gesetzliche Aufrechnungsverbot gilt auch dann, wenn – wie im Streitfall – auf beiden Seiten Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen gegeben sind, die aus einem einheitlichen Lebensverhältnis resultieren. Soweit in Literatur und Rspr. dazu teilweise eine andere Auffassung vertreten wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen, zumal der Gesetzgeber die in der Literatur geäußerten Korrekturvorschläge weder bei der Schaffung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I, 3138) noch bei Erlass des am 1.8.2002 in Kraft getretenen Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 (BGBl I, 2674) aufgegriffen hat.

[5] 2. Die in der Literatur z.T. vertretene Auffassung, wonach ein Aufrechnungsverbot zu verneinen sei, wenn auf beiden Seiten Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen gegeben sind (Larenz, Lehrbuch des SchuldR, 14. Aufl., Bd. I, § 18 VIb; Fikentscher/Heinemann, SchuldR, 10. Aufl., Rn 339; Blomeyer, Allgemeines SchuldR, 4. Aufl., § 40 VI 2a; Staudinger/Bittner, BGB [2009], § 273 Rn 111; Erman/Wagner, BGB, 12. Aufl., § 393 Rn 2; Kropholler, Studienkomm. BGB, 10. Aufl., Vor § 387, Rn 10; Jauernig/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 393 Rn 1; Lüke/Huppert, JuS 1971, 165, 167), ist mit dem klaren Wortlaut der Bestimmung nicht vereinbar. Im Hinblick darauf wird teilweise eine eingeschränkte Nichtanwendbarkeit des Aufrechnungsverbots nur für solche Fälle, in denen die gegenseitigen Ansprüche auf einem einheitlichen Lebensverhältnis – wie etwa einer Prügelei – beruhen, befürwortet (LG Stade MDR 1958, 99; Soergel/Zeiss, a.a.O.; Deutsch, NJW 1981, 735; BGB-RGRK/Weber, 12. Aufl., § 393 Rn 7; AnwK/Wermeckes, § 393 Rn 2; Bamberger/Roth/Denhardt, BGB, § 393 Rn 7; HK-BGB/Schulze, 4. Aufl., Rn 1; Jauernig/Stürner, a.a.O.; Brox/Walker, Allgemeines SchuldR, 33. Aufl., § 393 Rn 15). Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die Vorschrift einem kalkulierten Missbrauch des Aufrechnungsrechts zum Zwecke der Privatrache gegenüber einem zahlungsunfähigen Erstschädiger vorbeugen wolle. Diese Gefahr bestehe aber dann nicht, wenn das Zweitdelikt innerhalb desselben Raufhandels begangen sei oder jedenfalls einen spontanen Racheakt in unmittelbarem Anschluss an das erste Delikt darstelle (so etwa Soergel/Zeiss, a.a.O.). Eine andere Auffassung hält eine Korrektur des § 393 BGB nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB je nach den Umständen des konkreten Falles für geboten (Glötzner, MDR 1975, 718, 720 f.). Wiederum andere sprechen sich schließlich dafür aus, § 393 BGB nur dann anzuwen...

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