Nach der derzeitigen höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland reicht die "bloße" Trauer wegen des Verlustes eines nahen Angehörigen nicht aus, um dem Hinterbliebenen ein eigenes Schmerzensgeld zuzusprechen.

Liest man in zwei der tragenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nach, findet sich zur Begründung der ablehnenden Haltung Erstaunliches. Das geltende Recht hätte – so die eine Entscheidung aus dem Jahre 1971[2] – bewusst und verbindlich entschieden, einen Anspruch für Schäden durch zugefügten seelischen Schmerz zu versagen, sofern dieser nicht wiederum Auswirkung der Verletzung des eigenen Körpers oder der eigenen Gesundheit sei. Sei eine psychisch vermittelte Gesundheitsbeeinträchtigung vom Täter nicht gewollt, sei – unabhängig von der herkömmlichen Adäquanzformel – eine Beschränkung auf solche Schäden erforderlich, die aus medizinischer Sicht und nach der allgemeinen Verkehrsauffassung Körper- oder Gesundheitsverletzungen sind.

Diese Begründung hat der Bundesgerichtshof in einer weiteren Entscheidung aus dem Jahre 1989[3] erweitert: die besagte gesetzgeberische Entscheidung ergebe aus der Existenz der §§ 844, 845 BGB, also derjenigen Bestimmungen, die bei Tod eines Menschen den Angehörigen Ersatz der Beerdigungskosten des entgangenen Unterhalts und der entgangenen Dienste gewähren. Im Übrigen sei die Deliktshaftung auf den Schaden der "unmittelbar" Verletzten beschränkt. Nur wenn der Angehörige an psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer leide, sein Schock auf den Unfalltod eines Angehörigen also eine nachhaltige traumatische Schädigung erreiche, die über das normale Lebensrisiko der menschlichen Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt hinausgehe, könne von einer eigenen Verletzung und damit einem Schmerzensgeldanspruch die Rede sein.[4] Das ist allerdings bisher nur in seltenen Fällen bejaht worden.[5]

Im Jahr 2006 hat sich der 66. Deutsche Juristentag in Stuttgart ebenfalls mit der Frage der Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes befasst. Obwohl Wagner in seinem Gutachten zum Juristentag die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes zur Harmonisierung des europäischen Privatrechts empfahl,[6] hat sich der Juristentag bei der Abstimmung dagegen ausgesprochen. Für die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes spreche zwar, dass es nicht einzusehen sei, jemanden, der in einen fassungslosen Zustand gerät anders zu behandeln, als den, der sein Leid in sich begräbt.[7] Und: Die Zahlung eines solchen Betrages sei ein Respekt vor der Trauer der Hinterbliebenen, eine Geste, die daran erinnere, dass ein Tod mehr auslöst als Beerdigungskosten und entgehenden Unterhalt, eine Geste also, die unserer vielfach als kalt empfundenen Rechtsordnung gut stünde.[8] Zur Begründung des letztlich negativen Votums wurde aber angeführt, dass die Schwierigkeiten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unüberwindlich seien. Denn die Bewertung von Trauer bzw. die Abgeltung eines so höchstpersönlichen Verlustes übersteige die Möglichkeiten richterlicher Schadensschätzung.[9] Zudem wurde die Auffassung vertreten, dass den Angehörigen eher die Bestrafung des Täters als ein Schmerzensgeld Genugtuung verschaffe.

[2] BGHZ 56, 163.
[5] So etwa bei einem Vater, der sich nach dem Unfalltod des einzigen Kindes aus seinem sozialen Umfeld völlig zurückzog und sich über Jahre in nervenärztlicher sowie psychotherapeutischer Behandlung befand: EUR 11.250 (LG Saarbrücken, Urt. v. 9.9.1999, 6 O 327/97).
[6] Vgl. Wagner, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentag Stuttgart 2006, Bd. I, A 65.
[7] Macke, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. II/2 L 137.
[8] Macke, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. II/2 L 137.
[9] So Müller, in ihrem Ref., Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. II/1 L 11.

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