RVG § 11 Abs. 1 und 5; VV RVG Nr. 3104; ZPO § 103 § 104; VVG § 86

Leitsatz

1. Der rechtsschutzversicherte Auftraggeber kann auch dann die Festsetzung der Vergütung gem. § 11 RVG beantragen, wenn seine Rechtsschutzversicherung die von dem Rechtsanwalt verlangte Vergütung in vollem Umfang bezahlt hat und die Rechtsschutzversicherung der Auffassung ist, die ebenfalls gezahlte Terminsgebühr sei nicht angefallen.

2. Zwar ist in einem solchen Fall der Anspruch des Mandanten auf Rückzahlung überzahlter Vergütungsansprüche auf die Rechtsschutzversicherung übergegangen. Diese kann jedoch den Auftraggeber und Versicherungsnehmer im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft ermächtigten, das Vergütungsfestsetzungsverfahren im eigenen Namen zu betreiben.

3. Eine nach Erteilung des Prozessauftrags für eine außergerichtliche Besprechung angefallene Terminsgebühr gehört zu den Kosten des nachfolgenden Rechtsstreits und kann damit Gegenstand des Vergütungsfestsetzungsverfahrens sein.

4. Eine Terminsgebühr für Besprechungen fällt dann nicht an, wenn der Gesprächspartner von vornherein eine gütliche Einigung ablehnt. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesprächspartner sich die Argumentation des Rechtsanwalts über mehrere Minuten angehört hat.

(Leitsätze der Schriftleitung)

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.4.2020 – 13 W 55/19

Sachverhalt

Dem Kl. wurde sein Kfz während einer Urlaubsreise gestohlen. Der Kl. nahm deshalb die spätere Bekl., seine Kaskoversicherung, in Anspruch. Diese lehnte mit Schreiben v. 13.11.2015 eine außergerichtliche Regulierung ab, da sie den Nachweis eines Diebstahls nicht als geführt angesehen hat. Hieraufhin beauftragte der Kl. die Anwaltskanzlei K. mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Kanzleiintern wurde das Mandat von Rechtsanwalt A. bearbeitet. Dieser führte am 14.1.2016 ein Telefonat mit dem Mitarbeiter der Stuttgarter Niederlassung der Bekl., Herrn F. In einem mehrere Minuten andauernden Gespräch legte Rechtsanwalt A. dem Mitarbeiter die gegen die behauptete vorgetäuschte Entwendung des Fahrzeugs sprechenden Argumente und Indizien dar. Am Ende des Telefonats machte der Sachbearbeiter deutlich, dass die Bekl. bei ihrer ablehnenden Haltung bleibe und außergerichtlich keine Zahlung leisten werde. Zum Zeitpunkt dieses Telefonats hatte der Kl. der Anwaltskanzlei K. bereits einen unbedingten Klageauftrag erteilt.

Unter dem 19.2.2016 erhob der durch die Anwaltskanzlei K. vertretene Kl. beim LG Freiburg (Breisgau) gegen die Bekl. Klage auf Zahlung von rund 35.000 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Nach Zustellung der Klage glich die Beklagte die Klageforderung vollständig aus und erkannte ihre Kostentragungspflicht an. Nach übereinstimmender Hauptsacheerledigungserklärung legte das LG Freiburg der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf. Mit Kostenrechnungen v. 15.4.2016 rechnete die Anwaltskanzlei K. die für die außergerichtliche Vertretung und im Rechtsstreit angefallenen Anwaltskosten wie folgt ab:

Außergerichtliche Vertretung

 
1. 1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 35.000 EUR) 1.219,40 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 235,49 EUR
Summe: 1.474,89 EUR.

Gerichtliche Vertretung

 
1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 35.000 EUR) 1.219,40 EUR
hiervon gem. Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG anzurechnen  
0,65 Geschäftsgebühr 609,70 EUR
Rest: 609,70 EUR
2. 1,2 Terminsgebühr,  
Vorbem. 3 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 35.000 EUR) 1.125,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 333,51 EUR
Summe: 2.088,81 EUR
   
Insgesamt in beiden Angelegenheiten 3.563,70 EUR

In der Kostenberechnung wurden die Zahlungen der Rechtsschutzversicherung (RSV) des Kl. in Höhe des Nettobetrags von 2.994 EUR berücksichtigt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag v. 27.4.2016 beantragte der vorsteuerabzugsberechtigte Kl. die Festsetzung der ihm entstandenen Kosten, und zwar der Anwaltskosten zzgl. der gezahlten Gerichtskosten i.H.v. 441 EUR, insgesamt somit von 2.196,30 EUR. Der Rechtspfleger des LG Freiburg setzte die Kosten antragsgemäß fest. Auf die sofortige Beschwerde der Bekl. hat das OLG Karlsruhe die Kosten ohne Berücksichtigung der beanspruchten Terminsgebühr auf nur 1.070,70 EUR festgesetzt.

In der Folgezeit weigerte sich die Anwaltskanzlei K., die Terminsgebühr an die Rechtsschutzversicherung des Kl. zurückzuzahlen. Hieraufhin schrieb Rechtsanwalt X den Kl. im Auftrag der RSV an. Er erläuterte, die RSV wolle die Frage der zutreffenden Abrechnung durch die Anwaltskanzlei K im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG bindend klären lassen. Rechtsanwalt X wies den Kl. darauf hin, er sei aus dem Versicherungsverhältnis verpflichtet, an dem Vergütungsfestsetzungsverfahren mitzuwirken. Der Kl. sandte das beigefügte und vom ihm unterschriebene Vollmachtsformular mit dem Betreff "Vergütungsfestsetzung" an Rechtsanwalt X zurück.

Unter dem 8.3.2019 beantragte Rechtsanwalt X im Namen des Kl., die der Anwaltskanzlei K. für ...

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