Zum 57. Mal wird vom 23. bis zum 25.1.2019 in Goslar der Verkehrsgerichtstag stattfinden. Wird es das letzte Mal sein? Ist das Format noch zeitgemäß? Ist Goslar überhaupt der richtige Ort? Muss eine Rechtsanwältin (Anm.: dies gilt auch für alle männlichen Vertreter, in der Folge ohne gesonderte Nennung) nach Goslar reisen? Sind die Themen aktuell?

Wer Antworten auf diese Fragen finden möchte, muss in jedem Falle selbst nach Goslar reisen!

Die Organisatorinnen beabsichtigen, wenn auch unter absehbarer neuer Führung, den Verkehrsgerichtstag weiter durchzuführen. Denn Kay Nehm wird als ohne Frage erfolgreicher Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtages nicht mehr kandidieren und den Stab weiterreichen.

Hinsichtlich des Tagungsortes wird eine Umfrage bei den Teilnehmerinnen erfolgen. Und natürlich werden die Verantwortlichen auch darüber diskutieren, ob und ggf. in welcher Form Änderungen des erfolgreichen Formats erforderlich sind, um einen größeren Kreis von Teilnehmerinnen anzusprechen. Denn der Deutsche Verkehrsgerichtstag bleibt mit seinen fachübergreifenden Diskussionen ein Taktgeber schon alleine deshalb, weil sich alljährlich Fachleute interdisziplinär zusammenfinden und miteinander ins Gespräch kommen. Wollte man auf diesen Austausch verzichten oder ihn digitalisieren, fehlte ein ganz wichtiges Element – der persönliche, fast private Austausch, der über Jahre eine vertrauensvolle Ebene zwischen Menschen geschaffen hat.

Das Programm enthält für Juristinnen wichtige Anstöße und soll aktuelle Fragen beantworten: So wird darüber diskutiert, ob das neue Fahreignungs-Bewertungssystem, das im Jahre 2014 eingeführt und auf dem damaligen Verkehrsgerichtstag heftig kritisiert und hiernach verändert wurde, seinen damaligen Ansprüchen gerecht geworden ist und welcher Verbesserungsbedarf besteht. Besonders interessant ist hierbei die Frage, ob die Reduzierung des Punktestandes nach erfolgreichem Besuch eines Fahreignungsseminars beibehalten werden oder ersatzlos im Jahre 2020 auslaufen soll.

Aus gesetzgeberischer Sicht ist der Arbeitskreis V interessant, der sich mit dem "Alkohol-Interlock-System" beschäftigt, dessen rechtssicheren Einsatz der Koalitionsvertrag in den Blick genommen hat. Interessierte werden ermitteln, welche internationalen Erfahrungen vorliegen und welche Möglichkeiten hinsichtlich der Praktikabilität einerseits und des Datenschutzes andererseits bestehen.

Sicherlich richtungsweisend dürften die Ergebnisse des Arbeitskreises II sein, der sich um die strafrechtlichen Folgen bei der (zunehmenden) Automatisierung des Fahrvorganges kümmert: Wann ist der Fahrer strafrechtlich noch verantwortlich; wann muss der Fahrzeughersteller bei Schadensfällen aufgrund einer Sorgfaltspflichtverletzung zur Verantwortung gezogen werden?

Eher in den Bereich der täglichen Schadensabwicklung fällt der Arbeitskreis III, der sich um die Ansprüche nach einem Verkehrsunfall mit einem geleasten oder aber finanzierten Fahrzeug befasst. So werden die Haftungsprivilegierung für den nicht haftenden Kfz-Eigentümer und die Regressmöglichkeiten des voll haftenden Unfallgegners bzw. die Ansprüche im Innenverhältnis diskutiert. Für im Personenschadensrecht tätige Juristinnen auf Versicherungsseite wie auch auf anwaltlicher Seite dürfte der Arbeitskreis IV relevant sein, der sich mit der Abfindung von Personenschäden und der vergleichsweisen Regelung derselben befasst. Entscheidend für Geschädigte ist sicherlich die Frage der Abzinsung, entscheidend für die Rechtsanwältin ist die Frage der Haftung. Im Fokus soll auch stehen, ob ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindungen eingeführt werden sollte. Dieser Arbeitskreis wird vermutlich stark von der Versicherungswirtschaft frequentiert werden, auch um das Ergebnis der Empfehlungen des Arbeitskreises beeinflussen zu können. Will sich die Geschädigtenseite in diesem Arbeitskreis wiederfinden, sollte die Anwaltschaft gerade diesen Arbeitskreis besonders in den Blick nehmen.

Es gibt keinen anderen Weg, als sich zum Deutschen Verkehrsgerichtstag zu begeben, um an der verkehrspolitischen und -rechtlichen Diskussion teilzunehmen: Machen Sie mit!

Autor: Gesine Reisert

RA Gesine Reisert, FA für Strafrecht und für Verkehrsrecht, Mediatorin, Berlin

zfs 1/2019, S. 1

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