Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wird in vielen Fällen dazu führen, dass die Erteilung nationaler Erbzeugnisse in Erbfällen mit Auslandsberührung faktisch nicht mehr in Betracht kommt. Es führt dann kein Weg an dem (komplizierten und aufwändigen) Europäischen Nachlasszeugnis[15] mehr vorbei. Das Urteil stärkt somit das Europäische Nachlasszeugnis und schwächt die nationalen Erbzeugnisse. Dieses Ergebnis mag dem Anwendungsvorrang des Europarechts entsprechen; es widerspricht allerdings der Europäischen Erbrechtsverordnung insoweit, als diese von einem gleichwertigen Nebeneinander von Europäischen Nachlasszeugnis und nationalen Erbzeugnissen ausgeht (siehe Art. 62 Abs. 3 EuErbVO und Erwägungsgrund Nr. 67).

Im Ausgangsfall Oberle müssen die Erben den (deutschen) Erbschein und das Europäisches Nachlasszeugnis jeweils in Frankreich (vor einem französischen Gericht und in französischer Sprache) beantragen. Bei Erben, die (anders als der Erblasser) selbst nicht in Frankreich ansässig und/oder der französischen Sprache nicht mächtig sind, führt dies zu einer erheblichen Erschwerung der Nachlassabwicklung. Mit dem Ziel der Europäischen Erbrechtsverordnung, eine "zügige, unkomplizierte und effiziente" Abwicklung von grenzüberschreitenden Erbfällen zu ermöglichen, lässt sich dies kaum vereinbaren.

[15] Siehe dazu u. a. OLG Köln, Beschluss vom 6.2.2018, 2 Wx 276/17, FamRZ 2018, 960 = RNotZ 2018, 254 = ErbR 2018, 228 = NJW-Spezial 2018, 327 = ZEV 2018, 340 mit Anm. Dörner = Rpfleger 2018, 333 mit Anm. Weber (Formularzwang für Europäisches Nachlasszeugnis); OLG Schleswig, Beschluss vom 2.2.2018, 3 Wx 4/18, NJW-Spezial 2018, 296 = FamRZ 2018, 858 = ZEV 2018, 340 = ErbR 2018, 389 (Antragsrecht des Nachlasspflegers für Europäisches Nachlasszeugnis); OLG München, Beschluss vom 12.9.2017, 31 Wx 275/17, ZEV 2017, 580 = FamRZ 2018, 142 = Rpfleger 2018, 146 = MittBayNot 2018, 180 = notar 2018, 147 mit Anm. Schmitz = NotBZ 2018, 188 = ErbR 2018, 261 mit Anm. Maier (keine Aufnahme eines ausländischen Grundstücks, hier in Österreich, in ein Europäisches Nachlasszeugnis); OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.4.2017, 15 W 318/17, Rpfleger 2017, 545 (Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses: Anwachsungserwerb nach § 14 öWEG bei Ehegattenmiteigentum unterfällt nicht Europäischen Erbrechtsverordnung und kann daher auch nicht in Europäisches Nachlasszeugnis aufgenommen werden); OLG Nürnberg, Beschluss vom 5.4.2017, 15 W 299/17, Rpfleger 2017, 545 = ZEV 2017, 579 mit Anm. Weinbeck = ErbR 2017, 661 = FamRZ 2018, 143 (Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses: keine Angabe einzelner Nachlassgegenstände, hier: eines in Tschechien belegenen Grundstücks, auch nicht zu Informationszwecken).

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