Auf den ersten Blick ganz anders gelagert scheint dagegen der dem Beschluss des OLG München zugrunde liegende Fall: Hier ging es um die Umdeutung einer dem nicht befreiten Vorerben eingeräumten Befugnis zur Änderung einer Nacherbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament.[15]

Die Erblasserin hatte mit ihrem Ehegatten ein notariell beurkundetes gemeinschaftliches Testament errichtet, in welchem sich die Ehegatten zunächst gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hatten. Die Erbenstellung der Erblasserin war jedoch auf eine nicht befreite Vorerbschaft beschränkt, wobei die Abkömmlinge des Ehegattens als Nacherben bestimmt waren. Für den Nacherbfall war der Tod der Vorerbin bestimmt. Die Nacherbfolge der Abkömmlinge des Ehegatten wurde jedoch unter die Bedingung gestellt, dass die Erblasserin nicht anderweitig verfüge. Die Änderungsbefugnis der Erblasserin wurde auf die Abänderung der Nacherbenbestimmung innerhalb der Abkömmlinge des Ehegatten beschränkt, sodass die Erblasserin lediglich befugt war, den Umfang der Nacherbenstellung des einen oder anderen Abkömmlings des Ehegatten bis hin zu ihrem Ausschluss zu ändern. Zugunsten Dritter durfte die Nacherbenstellung ausdrücklich nicht geändert werden. Im Fall des Letztversterbens hatte der Ehegatte gesetzliche Erbfolge angeordnet, die Erblasserin hingegen die beiden Abkömmlinge des Ehegatten zu gleichen Teilen als Erben ihres Nachlasses eingesetzt. Abschließend enthielt das gemeinschaftliche Testament die Anordnung, dass die geschilderten Verfügungen wechselbezüglich seien. Nach dem Tod des Ehegatten verfasste die Erblasserin zwei weitere Testamente. Darin setzte die Erblasserin einen der Abkömmlinge des vorverstorbenen Ehegatten zu ihrem Alleinerben ein.

Das Gericht stellte nun fest, dass die beschriebene Änderungsbefugnis der Erblasserin im gemeinschaftlichen Testament gegen § 2065 Abs. 2 BGB verstoße, da sie in unzulässiger Weise der Erblasserin die Bestimmung der Erben bzw. des Erbschaftgegenstandes nach dem vorverstorbenen Ehegatten überlasse.

Die unwirksame Änderungsbefugnis sei aber in eine auflösend bedingte Vor- und Nacherbschaft und eine aufschiebend bedingte Vollerbschaft der Erblasserin nach dem vorverstorbenen Ehegatten umzudeuten. Mit der späteren einzeltestamentarischen Verfügung der Erblasserin, durch welche sie von der ihr zugedachten Änderungsbefugnis hinsichtlich der Nacherbenbestimmung aus dem gemeinschaftlichen Testament Gebrauch gemacht hatte, sei bei ihrem Tod die Bedingung für den Entfall der Vor- und Nacherbschaft eingetreten und die Erblasserin gleichsam für eine juristische Sekunde Vollerbin nach dem vorverstorbenen Ehegatten geworden, sodass sie mit ihrer Verfügung tatsächlich nur über ihren eigenen Nachlass verfügt habe.

Die Konstruktion einer solchen auflösend bedingten Vor- und aufschiebend bedingten Vollerbschaft ist grundsätzlich testamentarisch möglich. Nur noch vereinzelt wird hier ein Verstoß gegen § 2065 Abs. 1 BGB als unzulässige Potestativbestimmung problematisiert.[16] Auch dürfte die Umdeutung der Änderungsbefugnis nach § 140 BGB für solche Fälle durchaus naheliegen, zumal vorliegend sogar im gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten hinsichtlich der Nacherbeneinsetzung ausdrücklich auf die Bedingung der anderweitigen Verfügung durch die Erblasserin Bezug genommen worden war. Das Gericht führt daher ein Ergebnis herbei, welches der Lebenswirklichkeit und dem Erblasserwillen sicherlich am nächsten kommt.

Nichtsdestotrotz ist die Entscheidung kritisch zu betrachten, da sie dogmatisch zumindest zweifelhaft sein dürfte. Dem Umstand, dass im gemeinschaftlichen Testament die Wechselbezüglichkeit aller Verfügungen angeordnet war, wird durch das OLG München nämlich keine Berücksichtigung geschenkt.

Da es sich um ein notariell beurkundetes Testament handelte, war grundsätzlich von der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen auszugehen. Anhaltspunkte, welche auf einen diesbezüglichen Wissens- oder Willensmangel der Ehegatten schließen lassen, sind dem Sachverhalt nicht zu entnehmen. Nach dem Tod des Ehegatten trat mithin die dem gemeinschaftlichen Testament urtümliche Bindung nach den §§ 2270, 2271 BGB ein.

Diese Bindung erfasste dann aber auch die Klausel im gemeinschaftlichen Testament, wonach die Erblasserin für den Fall ihres Letztversterbens die Abkömmlinge des Ehegatten hinsichtlich ihres Nachlasses als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt hatte.

Durch die Umdeutung verfügte die Erblasserin nun aber über den Gesamtnachlass als ihren eigenen und wich mithin von der sie bindenden Verfügung ab, indem sie einen Abkömmling als Alleinerben einsetzte und den anderen konkludent enterbte. Die Rechtsfolgen eines solchen Widerspruchs sind hinlänglich bekannt. Beeinträchtigende Verfügungen sind analog § 2289 Abs. 1 BGB unwirksam.

Im Wege der vorrangigen ergänzenden Testamentsauslegung dürfte dieser Widerspruch kaum aufzulösen sein. Es stellt sich zwar die berechtigte Frage, ob mit der Anordnung der Änderungsbefugnis hinsichtlich der Nacherbene...

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