Die Testierfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG wird durch das Verbot aus § 2065 BGB erheblich eingeschränkt. Danach kann der Erblasser eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten oder nicht gelten soll. Ebenso kann er die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht einem anderen überlassen.

Die Rechtfertigung dieser Einschränkung der Testierfreiheit wurde u. a. mit der Verhinderung der Erbschleicherei begründet.[6]

Der Schutz durch § 2065 BGB ist objektiver Natur, weil ein Dritter bereits aufgrund der Fassung des Testaments die Unwirksamkeit der Verfügung erkennen könnte. Die eigentliche Erbschleicherei spielt sich aber vielmehr auch subjektiver Ebene ab, wonach der Verfügungswille manipuliert wird. Die Problematik liegt in der Beweisführung, wann denn die Grenze des unzulässigen Eingriffs in den Willen des Erblassers überschritten ist. Damit ist man automatisch bei der Frage der Testierunfähigkeit.

Die Testierunfähigkeit nach § 2229 Abs. 4 setzt voraus[7], dass

der Testierende dauernd oder vorübergehend geisteskrank, geistesschwach (dies entspricht der krankhaften Störung der Geistestätigkeit nach § 104 Nr. 2) oder bewusstseinsgestört (dies entspricht der Bewusstlosigkeit nach § 105 Abs. 2) ist (diagnostische Ebene) und dass dieser Zustand so schwer ist, dass er dadurch
unfähig ist, die Bedeutung einer testamentarischen Willenserklärung nach Inhalt und Tragweite zu erkennen – Einsichtsvermögen – und vor allem,
nach dieser Einsicht zu handeln – freie Willensbestimmung – (Ebene der psychopathologischen Symptomatik bzw. der psychisch-geistigen Funktionsdefizite).

Im Rahmen der Erbschleicherei sind weniger die Problemkreise der krankhaften Störungen der Geistestätigkeit von Interesse als vielmehr der Komplex der freien Willensbestimmung.

Nach Cording[8] kommt es für eine freie Willensbildung darauf an, ob eine freie Entscheidung aufgrund einer Abwägung des Für und Widers und einer sachlichen Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte und ein dementsprechendes Handeln möglich ist oder ob der Erblasser infolge krankhafter Geistesstörung fremden Willenseinflüssen unterliegt oder sein Wille durch unkontrollierte Triebe und Vorstellungen beherrscht wird.

Grundsätzlich ist aber die Mitwirkung eines Dritten bei der Testamentserrichtung bedenkenlos, sofern nicht in unzulässiger Weise auf den Willen des Testierenden Einfluss genommen wird. Entscheidendes Kriterium ist, ob der Entschluss zur Errichtung des konkreten Testaments eigen- oder fremdbestimmt ist.

Eine Willensbeeinflussung durch Dritte im Sinne einer Testierunfähigkeit nach § 2229 BGB ist somit immer dann in Erwägung zu ziehen, wenn Demenzkranke unter dem Einfluss nahestehender Personen oder anderem Pflegepersonal (wie ambulante Pflegedienste etc.) stehen, von diesen infolge von Versorgung und Pflege abhängig sind und/oder die Biografie des Erblassers auf eine selbstunsichere Persönlichkeitsstörung hinweist. Äußere Anzeichen für eine derartige Willensbeeinflussung sollen z. B. innerhalb kürzester Zeit errichtete, einander widersprechende Testamente, v. a. wenn dies an verschiedenen Orten unter dem mutmaßlichen Einfluss interessierter Personen geschieht.[9]

Eine weitere Grauzone ist die Abgrenzung von einer zulässigen Bewertung bzw. Anregung zur die eigene Willensbildung des Testierenden ausschließenden unzulässigen Beeinflussung. Der Testierende darf ohne weitere Nachprüfungen den Anregungen oder Einflüsterungen Dritter ohne Weiteres folgen oder sich deren Ansichten anschließen. Es liegt solange keine unzulässige Beeinflussung vor, sofern dies alles nur aus eigenem Entschluss geschieht und nicht nur quasi mechanische Wiedergaben fremder Erklärungen erfolgen, also nur ein fremder Willen völlig unreflektiert vollzogen wird. Dabei kann nicht schon dann von einer Testierunfähigkeit ausgegangen werden, wenn der Erblasser willensschwach oder leicht beeinflussbar ist.[10] Es kommt mithin insbesondere auf die Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung der letztwilligen Verfügung oder überhaupt einer Willenserklärung an und dem Vermögen, nach dieser Einsicht auch zu handeln. Dabei kommt es weniger auf die Fähigkeit des Verstandes als auf die Freiheit der Willensbestimmung an[11], wobei Dritte die Intention des Erblassers auch nicht nachvollziehen können müssen.

[6] Schäfer, BWNotZ 1961, 190; vgl. Mugdan Protokolle, S. 522.
[7] Nach Beck Online Kommentar-Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2229 BGB Rn 4 mit zahlreichen Nachweisen.
[8] Cording ZEV 2010, 115, 117 ff. So auch Beck Online Kommentar-Litzenburger, § 2229 Rn12 sowie unter Bezugnahme auf die Rspr.: RGZ 103, 399, 401; RGZ 130, 69, 71; RGZ 162, 223, 228; BGH NJW 1953, 1342; BGH FamRZ 1958, 127 = MDR 1958, 316 = DNotZ 1958, 601; BayObLGZ 1962, 219, 224; OLG Hamm MDR 1967, 469.
[9] Wetterling/Neubauer/Neubauer, ZEV 1995, 49.
[10] RG Warn 1917 Nr. 234; RG JW 1936, 1205; RG JW 1937, 35; OLGZ 2, 45, 53 = NJ...

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