Bewertung bedeutet, einem Wirtschaftsgut einen monetären Wert zuzuteilen. Zu diesem Zweck hat das Steuerrecht diverse Wertermittlungsmethoden entwickelt, welche Verfahrensschritte und Maßstäbe zur Bewertung vorgeben. Für die Bewertung von Kunstgegenständen fehlt es indes an entsprechenden Vorgaben.

Gem. § 12 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Bewertung von Kunstgegenständen nach Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften). Kunstgegenstände werden somit mit ihrem gemeinen Wert iSv § 9 BewG angesetzt, d. h. mit dem Verkehrswert zum Stichtag der Steuerentstehung gem. § 9 ErbStG.[70]

Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Indes sind Kunstgegenstände regelmäßig Unikate, deren Veräußerungspreis im Besteuerungszeitpunkt mangels Vergleichswerte nur einer Schätzung zugänglich ist. Darüber hinaus ist der erzielbare Veräußerungspreis – bedingt durch Trends oder den steigenden bzw. fallenden Bekanntheitsgrad des Künstlers – mitunter äußerst volatil. Und schließlich werden wertvolle Kunstobjekte häufig über Auktionshäuser wie Sotheby’s und Christie’s bewertet. Diese bewerten Kunstgegenstände allerdings nur rudimentär, indem sie dem jeweiligen Kunstobjekt lediglich einen oberen sowie einen unteren Schätzpreis (sog. "High and Low Estimate") zuweisen. Eine Begründung der Bewertung, in welcher sie ihre Bewertungsmethoden darlegen oder die zugrunde gelegten Faktoren offenlegen, liefern die Auktionshäuser hingegen nicht. Umso erstaunlicher ist, dass das OLG Köln in einer Entscheidung[71] im Hinblick auf die Anforderungen an ein Sachverständigengutachten für die Wertermittlung von Kunstgegenständen festgestellt hat, der Beklagte habe seiner Pflicht zur Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Vorlage der Bewertungen der Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s genügt. In den Entscheidungsgründen heißt es: "Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Objektivierbarkeit der Bewertung von Kunstgegenständen Grenzen gesetzt sind. Der Verkehrswert einer Sache bestimmt sich danach, was ein potenzieller Käufer dafür zahlen würde. Das richtet sich bei einem Kunstgegenstand – anders als etwa bei einem Grundstück oder Gebrauchsgegenstand, bei denen objektive Gesichtspunkte wie Alter, Lage, Zustand, Material im Vordergrund stehen – nur ganz am Rande nach objektiven Kriterien."

Die Finanzverwaltung trägt der komplexen Frage nach der Bewertung von Kunstgegenständen insoweit Rechnung, als sie die Bewertung nach dem Vorsichtsprinzip vornimmt: "Übrige körperliche Gegenstände werden mit dem gemeinen Wert bewertet. Der gemeine Wert von Kunstgegenständen und Sammlungen ist unter Berücksichtigung der schwierigen Verwertungsaussichten vorsichtig zu ermitteln."[72]

Indes sind die Maßstäbe für eine vorsichtige Bewertung gesetzlich nicht normiert und auch von der Finanzverwaltung nicht im Detail geregelt worden. Nicht auszuschließen ist dementsprechend, dass zwischen einzelnen Veranlagungsfinanzämtern unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe angelegt und infolgedessen abweichende Werte ermittelt werden. In der Besteuerungspraxis wird diesem Risiko mit Bewertungsabschlägen begegnet. Diese werden anhand der durch Schätzung bzw. mithilfe von Expertengutachten ermittelten Veräußerungspreise ermittelt, um eine unterschiedliche Bewertung auszuschließen. Dies kann im Ergebnis zu einer nicht unerheblichen Besserstellung von Kunstgegenständen gegenüber den meisten anderen der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegenden Vermögensgegenständen führen.[73]

Auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung zufolge sind Kunstwerke nach § 9 Abs. 1 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Der BFH führt hierzu aus: "Zur Ermittlung des gemeinen Wertes gemäß § 9 Abs. 2 BewG ist aber ein Verkauf auf einen bestimmten Stichtag zu fingieren. Das Fehlen aussagekräftiger (vergleichbarer) Verkaufsfälle macht eine Schätzung der gemeinen Werte der zugewendeten Kunstwerke gem. § 162 Abs. 1 AO erforderlich. Dazu fehlten dem FG die notwendigen Kenntnisse des einschlägigen Kunstmarktes. Es war daher gehalten, sich zum Ausgleich der fehlenden Kenntnisse eines Sachverständigen zu bedienen."[74]

Es ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass sowohl die Finanzverwaltung als auch die Finanzgerichtsbarkeit im Einzelfall nicht über die notwendigen Kenntnisse des einschlägigen Kunstmarktes verfügen, sodass die Bewertung von Kunstobjekten in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle letzten Endes auf Basis eines Sachverständigengutachtens erfolgen muss.[75] Dem Urteil des FG Münster lässt sich in diesem Zusammenhang ferner entnehmen, dass ein privat in Auftrag gegebenes Gutachten eines vereidigten Sachverständen sowohl hinsichtlich der Frage des Vorliegens des öffentlichen Erhaltungsinteresses als auch bezüglich der Bewertung den Anforderungen genügen kann.[76]

[70] Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 12 Rn 221.1; Crezelius, ZEV 2014, 6...

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