Das schottische Recht kennt kein notarielles Testament, sondern nur das privatschriftliche Testament. Nach Sect. 1 (2) Requirement of Writing (Scotland) Act 1995[5] muss ein Testament in Schriftform errichtet werden. Dabei genügt es für die Einhaltung der Schriftform gem. Sect. 2 (1) Requirement of Writing (Scotland) Act 1995,[6] dass der Text des Testaments schriftlich abgefasst wird und die Unterschrift des Testators so unter den Text gesetzt wird, dass sie den Text abschließt.[7]

Diese Erfordernisse gelten auch bei Errichtung von gemeinschaftlichen Testamenten (joint wills). Dabei begrenzt das schottische Recht – anders als das deutsche – die Möglichkeit gemeinschaftlichen Testierens nicht auf Eheleute. Auch nicht miteinander verheiratete Personen – wie z. B. Geschwister oder nichteheliche Lebensgefährten – können also ein gemeinschaftliches Testament errichten, indem sie einen gemeinsamen Text unterschreiben.[8]

Den "Erbvertrag" im Sinne einer unmittelbar bindenden Verfügung von Todes wegen kennt das schottische Recht nicht. Auch ein gemeinschaftliches Testament ist nicht bindend. Das gilt selbst für gegenseitige Testamente (mutual wills). Wohl aber sind dem schottischen Recht "Testiervereinbarungen" bekannt, also Verträge, mit denen sich ein Erblasser verpflichtet, ein bestimmtes Testament nicht zu widerrufen.[9] Ein Verstoß gegen die vertragliche Verpflichtung hat nach dem schottischen Recht zur Folge, dass die betroffenen Verfügungen vertragsmäßig und unwiderruflich sind.[10] Ein solcher Vertrag kann nach schottischem Recht in schriftlicher Form abgeschlossen werden und bedarf keiner notariellen Beurkundung. Für gegenseitige Ehegattenverfügungen hat die Rechtsprechung die Regel aufgestellt, wonach auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Testament eine entsprechende vertragliche Abrede zu vermuten sei.[11]

Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass das schottische Recht zwar keine Form für einen "Erbvertrag" iSd. §§ 2274 ff BGB zur Verfügung stellt. Die von Rita mit Werner errichtete Verfügung von Todes wegen würde aber aus schottischer Sicht als gemeinschaftliches Testament mit Testiervereinbarung behandelt werden und wäre als solche nach dem schottischen materiellen Erbrecht bindend und formgültig.

Würde Rita in Edinburgh wohnen bleiben und mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Schottland versterben, so könnte auf der Basis von Art. 1 Abs. 1 lit. d Haager Testamentsformübereinkommen bzw. Art. 26 Abs. 4, Abs. 1 Ziff. 3 EGBGB die Formwirksamkeit der von ihr getroffenen erbvertraglichen Verfügungen auch aus dem schottischen Recht ermittelt werden, sodass diese danach formwirksam geworden wären. Die von Werner getroffenen Verfügungen freilich wären – da er selbst keinen Anknüpfungspunkt zum schottischen Recht verwirklicht hat – weiterhin ausschließlich nach dem deutschen Recht zu beurteilen, blieben also formnichtig.[12]

[5] Sect. 1 (2) Requirement of Writing (Scotland) Act 1995: Subject to subsection (3) below, a written document complying with section 2 of this Act shall be required for— ... (c) the making of any will, testamentary trust disposition and settlement or codicil.
[6] Sect. 2 (1) Requirement of Writing (Scotland) Act 1995: No document required by section 1(2) of this Act shall be valid in respect of the formalities of execution unless it is subscribed by the granter of it or, if there is more than one granter, by each granter, but nothing apart from such subscription shall be required for the document to be valid as aforesaid.
[7] Reid, Testamentary Formalities in Scotland, in: Reid/de Waal/Zimmermann, Testamentary Formalities, Oxford 2011, S. 404, 421 ff.
[8] Gibb/Gordon, Succession, 3rd Edition Edinburgh 2012, S, 68. Im Fall Carich’s Trs v Mackie (1870) 8 M. 898 war ein Testament sogar von drei Personen gemeinschaftlich errichtet worden (vgl. Christmann, Englisches und schottisches Erbrecht im Vergleich, 1997, S. 265).
[9] Odersky, in NomosKomm-BGB V: Erbrecht, 4. Aufl. 2014, Länderbericht Großbritannien Rn 43, 47.
[10] Gibb/Gordon, Succession, 3rd Edition Edinburgh 2012, S, 68. Das schottische Recht unterscheidet sich insoweit vom englischen Recht, nach dem der vertragswidrige Widerruf erbrechtlich dennoch wirksam ist und der Vertragsbruch allenfalls einen Anspruch auf Schadensersatz nach sich zieht (Odersky in NomosKomm-BGB V: Erbrecht, 4. Aufl. 2014, Länderbericht Großbritannien Rn 43).
[11] Nachweise bei Christmann, Englisches und schottisches Erbrecht im Vergleich, 1997, S. 267.
[12] Damit dürften die von Rita getroffenen Verfügungen über § 2298 BGB auf der Ebene des materiellen deutschen Erbrechts ebenfalls hinfällig werden.

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