Einführung

§ 11 BewG regelt die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen. Im Zuge der jüngsten Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts[1] haben sich gerade in diesem Bereich Änderungen ergeben, die entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts[2] stets – also auch dann, wenn tatsächliche Verkaufsvorgänge nicht feststellbar sind – darauf abzielen, den Verkehrswert als Basis der Bemessungsgrundlage der Erbschaft- und Schenkungsteuer heranzuziehen. Dies gilt nicht nur für Wertpapiere und Anteile an Kapitalgesellschaften, sondern über § 109 BewG auch für die Bewertung des Betriebsvermögens bzw. von Mitunternehmeranteilen.

[1] Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 v. 24.12.2009, BGBl I 2008, 3018.

I. Unternehmensbewertung nach dem BewG

Das Gesetz sieht in § 11 BewG sieben Bewertungsverfahren vor, die teilweise untereinander in einem bestimmten Rangverhältnis stehen, teilweise jedoch auch – nach der Wahl des Steuerpflichtigen – alternativ angewendet werden können.

Ausgangspunkt ist gem. § 11 Abs. 1 BewG der Börsenkurs am Bewertungsstichtag (bzw. hilfsweise innerhalb von 30 Tagen vor dem Stichtag). Soweit ein Börsenkurs festgestellt werden kann, kommt die Anwendung anderer Bewertungsverfahren nicht in Betracht. In zweiter Linie wird der Verkehrswert aus Verkäufen unter fremden Dritten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten vor dem Bewertungsstichtag abgeleitet (§ 11 Abs. 2 S. 2 1. Fall BewG).

Nur subsidiär, also wenn weder ein Börsenkurs noch zeitnahe Verkäufe feststellbar sind, ist der Wert zu schätzen, und zwar gem. § 11 Abs. 2 S. 2 2. Fall BewG grundsätzlich unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft. Das vereinfachte Ertragswertverfahren kann gem. § 11 Abs. 2 S. 4 BewG hierbei zur Anwendung kommen (Wahlrecht). Als Alternative zur Schätzung des Werts unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten ist in § 11 Abs. 2 S. 2 3. Alt. BewG die Möglichkeit vorgesehen, eine andere anerkannte, "auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke übliche Methode" heranzuziehen. Der Substanzwert des Betriebsvermögens (der Kapitalgesellschaft) bildet gem. § 11 Abs. 2 S. 3 BewG grds. die Wertuntergrenze. Nur soweit die Weiterführung des Unternehmens nicht gewährleistet ist, ist der Liquidationswert als Bewertungsuntergrenze anzusehen.[3]

Anders als bei Einzelunternehmen und mitunternehmerischen[4] Personengesellschaften ist im Bereich der Kapitalgesellschaften die Frage, welchen Umfang die zu bewertende wirtschaftliche Einheit (das Betriebsvermögen iSv § 18 Nr. 3 BewG) hat, leicht zu beantworten. Denn für Kapitalgesellschaften gilt, dass sämtliche in ihrem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter auch ihrem Betriebsvermögen zuzuordnen sind (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Demzufolge sind all diese Gegenstände auch in die erbschaftsteuerrechtliche Bewertung mit einzubeziehen. Ob und inwieweit das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft auch Verwaltungsvermögen iSv § 13 b Abs. 2 ErbStG umfasst, spielt für die Bewertung bzw. die Anwendung der verschiedenen Bewertungsverfahren keine Rolle.

[3] Gesetzesbegründung, BT-Drucks 16/7918, 38.
[4] Originär gewerblichen, gewerblich geprägten, § 15 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG, oder freiberuflichen, § 18 Abs. 4 S. 2 EStG.

II. Schätzung unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten

1. Grundsatz – IDW S 1 / vereinfachtes Ertragswertverfahren, §§ 199 ff BewG

In allen Fällen, in denen eine Ermittlung des Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften[5] nicht anhand von Börsenkursen oder Verkaufspreisen iSv § 11 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BewG erfolgen kann, ist der Wert zu schätzen. Dies gilt sowohl für nicht notierte Gesellschaften als auch für börsennotierte Aktiengesellschaften, für die weder ein Stichtagskurs noch eine Kursnotierung innerhalb der 30-Tages-Frist des § 11 Abs. 1 S. 2 BewG vorliegt.

Gem. § 11 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BewG ist der Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten des Unternehmens oder nach einer anderen anerkannten, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke üblichen Methoden zu ermitteln. In jedem Fall sind im Rahmen der Bewertung sämtliche Faktoren zu berücksichtigen, die – aus der Perspektive des Stichtags – den Wert des Unternehmens bestimmen. Das bedeutet auch, dass zum Bewertungsstichtag feststehende objektive Umstände, die einen maßgeblichen Einfluss auf die relevanten Berechnungsgrößen des jeweiligen Verfahrens haben, bspw. der Tod des Unternehmers, im Rahmen der Bewertung entsprechend zu berücksichtigen sind.[6]

Auch wenn die Formulierung "unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten" einen breiten Auslegungsspielraum gestatten würde,[7] macht die Gesetzesbegründung deutlich, dass grds. die Ertragswertmethode gemeint ist.[8] Denn nach Auffassung des Gesetzgebers ist – wie bei der Ertragswertmethode vorgesehen – grds. von der Frage auszugehen, welches Kapital ein gedachter Investor einsetzen würde, um aus seinem Investment eine angemessene Rendite zu erzielen.[9] Demzufolge ist der Renditefaktor als ausschlaggebendes Element auch für die Unternehmensbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer anzusehen. Statt der früher[10] ...

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