Dem nächstliegenden Steuerspar-Rezept, den Kindern im Testament bereits beim Tod des ersten Elternteils Vermächtnisse bis zur Höhe ihrer Freibeträge zuzuwenden, und damit zugleich die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer des Überlebenden um diese Beträge zu mindern, steht – wie bei der "Strafklausel" – oft das vorrangige Interesse der Ehepartner entgegen, den Überlebenden finanziell abzusichern und ihn auch nicht vom Wohlverhalten der nur aus steuerlichen Gründen vorzeitig bedachten Kinder (und oft deren Partner!) abhängig zu machen. Der zwar zivilrechtlich ohne Weiteres wirksame "Hilfsweg", den Kindern Vermächtnisse des Erstversterbenden mit dem Aufschub ihrer Fälligkeit erst beim Tod des Überlebenden zuzuwenden, wäre allerdings erbschaftsteuerlich ohne Wirkung, weil solche Zuwendungen nach § 6 Abs. 4 ErbStG als vom Überlebenden stammend zu behandeln und so zu versteuern wären.[8]

Aus den gleichen Gründen würde auch die sogenannte "Jastrow´sche Klausel",[9] die seit den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als "verschärfte Pflichtteilsstrafklausel" in manche Ehegattentestamente eingebaut wurde, steuerlich keine Vorteile bringen: Die Klausel sieht für den Fall, dass ein Kind beim Tod des ersten Elternteils den Pflichtteil fordert, zwei Folgen vor: Zum einen die Beschränkung dieses Kindes auf den Pflichtteil auch im Schlusserbfall, und zum anderen ergänzend die Zuwendung von erst beim Schlusserbfall fällig werdenden Vermächtnissen aus dem Nachlass des Erstversterbenden an die anderen Kinder, in der Regel in Höhe ihrer gesetzlichen Erbanteile. Dadurch würde zwar erreicht werden, dass der Pflichtteil des "widerständigen" Kindes im Schlusserbfall nur aus den um diese Vermächtnisse geminderten Nachlasswert zu errechnen ist. Ein Steuervorteil für die mit diesen Vermächtnissen bedachten Kinder durch Anwendung der Freibeträge aus dem ersten Erbfall wird aber durch den schon erwähnten § 6 Abs. 4 ErbStG auch hier verhindert.[10] Das ändert allerdings nichts daran, dass "Jastrow", je nach Sachlage, durchaus eine geeignete Abwehr gegen die Gefahr sein kann, dass der letzte Wille gemeinschaftlich testierender Ehepartner durch unerwünschte Pflichtteilsforderungen ausgehebelt wird. Eine absolute und gerichtsfest wirkende Abwehr würde allerdings erfordern, ein "Berliner Testament" durch einen notariellen Pflichtteilsverzicht der Kinder zu flankieren oder beides in einem Erbvertrag zu kombinieren.[11] Zur Vermeidung der Folgen des § 6 Abs. 4 ErbStG wird von der Kautelarpraxis außerdem empfohlen, alternativ den Kindern, die ihren Pflichtteil nicht fordern, ein sofort fälliges Vermächtnis (auf das die Freibeträge anwendbar sind) zuzuwenden, dieses aber mit einem Nießbrauchs-Untervermächtnis zugunsten des überlebenden Elternteils zu beschweren.[12] Derartige Komplizierungen der erbrechtlichen Situation, die auch eine steuerliche Vorausberechnung notwendig machen, werden allerdings nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen und bei größeren Nachlässen infrage kommen; schließlich müsste der überlebende Elternteil den kapitalisierten Wert des ihm "untervermachten" Nießbrauchs versteuern, soweit er damit seinen Freibetrag von 500.000,00 EUR überschreitet.

Eine weitere, in der Regel erfolgreiche "Hilfslösung" zur Steuerminimierung kann darin bestehen, dass die Ehepartner anstelle des "Berliner Testaments" gemeinschaftlich und "wechselbezüglich":[13] a) ihre Kinder zu Vollerben des zuerst versterbenden Elternteils einsetzen, b) dem Überlebenden als Vermächtnis "nur" den lebenslangen Nießbrauch am Nachlass des Erstverstorbenen zuwenden, und schließlich c) der Überlebende die Kinder ebenfalls zu seinen Erben bestimmt oder ihm z. B. vorbehalten wird, steuerschonend auch die Enkelgeneration zu bedenken.[14] Hier können die Kinder als Erben des erstverstorbenen Elternteils ihre Freibeträge (400.000,00 EUR) aus dem um den kapitalisierten Nießbrauchswert verminderten Nachlass ausnutzen, während der überlebende Elternteil diesen Nießbrauchswert unter Berücksichtigung seines Freibetrags versteuern muss.

Schließlich sollte noch darauf hingewiesen werden, dass auch auf dem Wege über ein sogenanntes Zweckvermächtnis nach § 2156 BGB zugunsten der Kinder (auch Enkel), eine – wenigstens teilweise für den überlebenden Partner disponible – Zuwendungsmöglichkeit eröffnet ist, die die Ausnutzung von Steuerfreibeträgen zulässt.[15] § 2156 BGB ermöglicht auch im Rahmen des Berliner Testaments, den überlebenden Partner als Alleinerben des Erstversterbenden mit einem Vermächtnis zu beschweren, das nur den Empfänger und den Zweck der Zuwendung festlegt, es im Übrigen aber dem "billigen Ermessen" des Überlebenden (oder eines Dritten) überlässt, Art, Umfang und Zeitpunkt der Zuwendung zu bestimmen. Auf diese Weise könnte der Erstversterbende zum Beispiel die Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes zulasten seines Nachlasses oder die Aufnahme eines Kindes in das elterliche Unternehmen für den überlebenden Partner bindend und ihn verpflichtend...

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