Neu hinzukommen soll im Vergleich zum Vorschlag aus dem Jahr 2009 mit Art. 16 Abs. 2 EU-ErbVO ein Ausnahmetatbestand, wonach in Abweichung vom Aufenthaltsprinzip des Abs. 1 an das Recht des Landes angeknüpft werden muss, zu dem der Erblasser eine "offensichtlich engere Verbindung" als zum Land seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts hatte, wobei es erneut auf die Gesamtheit der Umstände ankommen soll. Geplant ist ein Erwägungsgrund (Nr. 12 b), mit dem der außergewöhnliche Charakter dieser Ausweichklausel erläutert und in dem Hinweise für ihre Anwendung gegeben werden. Ein solcher Ausnahmefall soll danach insbesondere dann gegeben sein, wenn der Erblasser erst kurz vor seinem Tod umgezogen ist. Damit ist immerhin die Frage beantwortet, ob der Statutenwechsel durch den Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts sofort eintritt oder nicht. Die EU-ErbVO geht offensichtlich davon aus, dass für einen gewissen Zeitraum noch eine engere Verbindung zu dem Wegzugstaat fortbesteht, die gewissermaßen ausklingt.

Diese Neuerung hat es in sich, wie schon der Verordnungsgeber erkannt hat. Sicherheitshalber hat er in Erwägungsgrund Nr. 12 b am Ende die Klarstellung eingefügt, dass die offensichtlich engste Verbindung nicht als subsidiärer Anknüpfungspunkt herangezogen werden sollte, wenn sich die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes als schwierig erweist. Darüber hinaus hat er aber alles zu einer nachhaltigen Verwirrung getan. Zwar soll der (im Einzelfall schwierig zu ermittelnde) gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers das Regelanknüpfungskriterium sein. Allerdings ist dazu nicht ohne Weiteres auf den Aufenthaltsort im Erbfall abzustellen. Vielmehr ist sodann zu prüfen, ob aus der "Gesamtheit der Umstände" heraus eine "offensichtlich engere Verbindung" des Erblassers zu einem anderen Land besteht. Hier ist der Streit gewissermaßen eingebaut. Denn welche Umstände den Ausschlag geben, wie sie zu gewichten sind und worauf es letztlich ankommt, bleibt offen. Es droht ein Amalgam zu entstehen, bei dem sich die Schwierigkeiten der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts mit den wenig trennscharfen Tatbestandsmerkmalen der Ausnahmeregel vermischen. Die Einzelfallgerechtigkeit scheint dabei auf Kosten der Rechtssicherheit die Oberhand zu gewinnen.

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