Witwer W hat einen nichtsnutzigen Sohn A und zwei Enkel B und C. Er setzt testamentarisch den Lieblingsenkel C zum Alleinerben ein und entzieht seinem Sohn A wirksam den Pflichtteil nach § 2333 BGB. Enkel B macht nun gegenüber seinem Bruder C einen Pflichtteil von 1/4 geltend. Zu Recht?

Lösung: Nach hM[15], die jüngst vom BGH[16] bestätigt wurde, besteht ein gesetzliches Erbrecht des entfernteren Abkömmlings auch dann, wenn der nähere Abkömmling durch Verfügung von Todes wegen enterbt wurde. Eine Mindermeinung geht dagegen davon aus, dass ein entfernterer Abkömmling aufgrund einer Verfügung des Erblassers nicht in die Stellung eines gesetzlichen Erben einrücken und damit – im Falle der eigenen Enterbung – auch nicht pflichtteilsberechtigt werden kann.[17] Mit der weiteren Verfügung, mit der nunmehr auch der entferntere Abkömmling von der Erbfolge ausgeschlossen wird, kommt diesem eine Pflichtteilsberechtigung nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Infolge der Enterbung von Abkömmlingen mehrerer Stufen kommt es dann zu einer möglichen Konkurrenz von Pflichtteilsansprüchen, die durch § 2309 BGB eine Regelung erfahren hat. § 2309 BGB setzt nach nahezu einhelliger Auffassung eine nach allgemeinen Vorschriften bestehende Pflichtteilsberechtigung des entfernteren Abkömmlings voraus, beschränkt diese aber. Dem B als entfernterem Abkömmling des W steht daher ein nicht beschränktes Pflichtteilsrecht zu, wenn und soweit A als näherer Abkömmling selbst den Pflichtteil nicht fordern kann, weil ihm dieser wirksam nach § 2333 BGB entzogen wurde.[18] B kann daher einen Pflichtteil von 1/4 am Nachlass des W geltend machen.

[15] Vgl. MüKoBGB/Lange, § 2309 Rn 12.
[16] ZEV 2011, 366, 368.
[17] Für alle Haas, in: Staudinger, BGB, 2006, § 2309 Rn 16 f und ders./Hoßfeld, ZEV 2011, 369, 370.
[18] Vgl. BGH ZEV 2011, 366, 369.

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