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Die Vorschläge zur Nachlass- und Vorsorgegestaltung in der erbrechtlichen Literatur sind weitgehend auf ältere Menschen zugeschnitten. Dabei wünschen zunehmend auch jüngere Menschen, die ihnen nahestehenden Personen und ihr Vermögen abzusichern. Ihre Lebenslagen und Vorstellungen für die Vermögensweitergabe sind allerdings anders als die von älteren Menschen, sodass herkömmliche Lösungsvorschläge ihren Bedürfnissen nicht gerecht werden. Die Nachlass- und Vorsorgegestaltung ist also anzupassen. Vorschläge zur Gestaltung von letztwilligen Verfügungen und gesellschaftsrechtlichen Regelungen werden im Folgenden dargestellt.

I. Ausgangslage

Exemplarisch soll hier von einem Menschen in den 30er oder 40er Lebensjahren in einer Ehe oder Partnerschaft mit erstem Nachwuchs und Vermögen ausgegangen werden. Häufig sind zudem Abkömmlinge aus früheren Verbindungen sowie Vermögensübertragungen von den Eltern zu berücksichtigen.

In diesen sowie ähnlichen Konstellationen sind oft Besonderheiten zu beachten:

Langer Überlebenszeitraum: Bei einem Ableben des ersten Partners in diesem Lebensalter ist von einem langen Überlebenszeitraum des zweiten Partners auszugehen. Er kann ohne weiteres 30, 40 oder auch 50 Jahre betragen.
Minderjährige: Es sind minderjährige Kinder vorhanden bzw. (weitere) zu erwarten.
Erhöhte Trennungswahrscheinlichkeit: Die Trennungswahrscheinlichkeit ist höher als bei Ehepaaren in den 70er oder 80er Lebensjahren.
Vermögen im Aufbau: Eine Unternehmensnachfolge zu Lebzeiten ist keine Alternative, da das Unternehmen erst aufgebaut wird und die potentiellen Nachfolger zu jung sind. Vermögenswerten, wie der selbst genutzten Immobilie, stehen oft noch Verbindlichkeiten gegenüber.
Erbberechtigte Eltern: Es sind Eltern vorhanden, die bei Kinderlosen oder im erweiterten Katastrophenfall erbberechtigt sein können.

Aus diesen Umständen ergeben sich bei vielen jüngeren, verheirateten Menschen mit Kindern auch besondere Ziele für die Nachlassgestaltung:

Absicherung des Partners: Der überlebende Partner soll möglichst nicht oder nur zu wenigen Auszahlungen gezwungen werden. Eine beschränkte Liquidität ist zu beachten, wie etwa bei einer selbst genutzten Immobilie.
Absicherung der Kinder: Die Abkömmlinge – auch zukünftige – sollen vom Nachlass des Erstversterbenden profitieren. Meist wird aber eine Verfügungssperre bis zur Volljährigkeit oder darüber hinaus gewünscht.
Ausschluss des Staates: Staatliche Einflüsse, wie durch (familienfremde) Pfleger, möchten die Eltern nicht.
Keine zu starke Einschränkung des Partners: Eine erbrechtliche Bindung über den Tod des Erstversterbenden hinaus wird bei Sicherung der Ansprüche der Kinder meistens nicht gewünscht.
Keine Verschlechterung bei Haftung und Steuern: Bei der Gestaltung für jüngere Menschen mit einem gewissem Vermögen und/oder Einkommen soll nicht nur möglichst die Erbschaftssteuer vermieden werden. Gegenwärtige Steuervorteile müssen erhalten bleiben. Zudem soll es nicht zu einer Mithaftung des einen Partners kommen, wenn diese, etwa aufgrund unternehmerischer Tätigkeit des anderen Partners, bislang bewusst vermieden wurde.

II. Herkömmliche Modelle

Verbreitet sind folgende Gestaltungsmittel, welche kritisch auf die Tauglichkeit für junge Menschen untersucht werden sollen: Die Einheitslösung ("Berliner Testament"), die Trennungslösung (Vor- und Nacherbschaft) sowie die Nießbrauchslösung.

1. Einheitslösung ("Berliner Testament")

Bei der Einheitslösung setzen sich die Ehegatten gegenseitig zum alleinigen Vollerben und zu Schlusserben die gemeinschaftlichen Kinder zu jeweils gleichen Teilen ein.[3] Eine Ersatzerbenregelung, eine Anordnung für den Katastrophenfall, eine Pflichtteilsklausel, ein Anfechtungsverzicht, eine Regelung zur Wechselbezüglichkeit bzw. Bindungswirkung sowie ggf. Schweigepflichtentbindungserklärungen, eine Rechtswahl und eine Schiedsklausel vervollständigen die Verfügung.

Die weitgehend bekannten Nachteile sind in den hier interessierenden Konstellationen gravierend: Zwar erhält der überlebende Ehegatte den Nachlass zunächst insgesamt. Es besteht aber die Gefahr, dass Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden; etwa durch einen für Minderjährige eingesetzten Pfleger. Der Pflichtteil liegt zwar unter dem, was für die Kinder für beide Erbfälle vorgesehen war, kann aber den überlebenden Ehegatten in Liquiditätsschwierigkeiten bringen, weil er unverzüglich und in Geld zu zahlen ist. Nur bis zur Volljährigkeit kann auf den Umstand gehofft werden,[4] dass für Minderjährige Pflichtteilsansprüche (für welche die Verjährung gem. § 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehemmt ist) zur "Schonung des Familienfriedens" durch einen Pfleger nicht geltend gemacht werden.[5] Zudem kann der Anspruch für die Kinder ohne eine Absicherung hinsichtlich der (späteren) Bezifferung und Durchsetzung gefährdet werden.

Der überlebende Ehegatte ist erbrechtlich gebunden, sodass er eine sich als ungünstig erweisende Regelung nicht mehr ändern kann. So könnte der überlebende Ehegatte weder unter den gemeinschaftlichen Kindern eine u. U. sinnvollere, neue Verteilung...

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