Neben der ausdrücklichen Rechtswahl gestattet Art. 22 Abs. 2, 2. Alt. ErbRVO auch die konkludente Rechtswahl, die sich "aus den Bestimmungen" einer Verfügung von Todes wegen ergibt.[65] Unterschieden werden muss zwischen der konkludenten Wahl des hypothetischen Erbstatuts nach Art. 25 Abs. 3 ErbRVO und des tatsächlichen Erbstatuts nach Art. 22 ErbRVO. Hinsichtlich der konkludenten Wahl des tatsächlichen Erbstatuts ist die Errichtung eines Erbvertrags, den das Heimatrecht eines Erblassers gestattet, ein gewichtiges Indiz, das regelmäßig darauf hinweist, der Erblasser habe gewollt, dass seine Rechtsnachfolge von Todes wegen insgesamt seinem Heimatrecht unterliegen soll.[66] Denn Erwägungsgrund 39 S. 2 nennt als ein Indiz für eine konkludente Rechtswahl die Bezugnahme auf "spezifische Bestimmungen" des Heimatrechts. In Abgrenzung zur konkludenten Wahl des hypothetischen Erbstatuts nach Art. 25 Abs. 3 ErbRVO bleibt jedoch zu untersuchen, ob sich der Erblasser seines Heimatrechts eventuell ausschließlich für Zwecke der Erbvertragserrichtung bedienen wollte. In einem solchen Fall liegt eine konkludente Wahl des hypothetischen Erbstatuts, nicht aber des tatsächlichen Erbstatuts vor.

Von zentraler Bedeutung für die Wahl des hypothetischen Erbstatuts ist die Frage, ob aus der Errichtung eines Erbvertrags eine konkludente Wahl des Staatsangehörigkeitsrechts abgeleitet werden kann, wenn dieses Erbverträge gestattet, das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts Erbverträge hingegen verbietet. Da relevanter Zeitpunkt für die konkludente Wahl des auf eine Verfügung von Todes wegen anwendbaren Rechts grundsätzlich der Errichtungszeitpunkt ist und jedenfalls in diesem Moment der Wille der am Erbvertrag beteiligten Personen darauf gerichtet sein wird, einen wirksamen Erbvertrag zu schließen, dürfte in einer solchen Konstellation durch die Verwendung des Erbvertrags als Verfügung von Todes wegen in aller Regel das Heimatrecht des Erblassers, das den Erbvertrag gestattet, konkludent gewählt werden. Gestützt wird dieses Ergebnis durch eine rechtsaktübergreifende Betrachtung der konkludenten Rechtswahl im europäischen Kollisionsrecht: Nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO muss sich eine konkludente Rechtswahl im Internationalen Schuldvertragsrecht "eindeutig" aus den Bestimmungen des Vertrags ergeben.[67] Art. 14 lit. b) S. 2, 2. Alt. Rom II-VO verlangt für das Internationale Recht der außervertraglichen Schuldverhältnisse, dass sich die konkludente Wahl "mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles" ergeben muss. Art. 22 Abs. 2, 2. Alt. ErbRVO ist vom Wortlaut her großzügiger.[68]

[65] Anders als Art. 11 HErbÜ, der die ausdrückliche Vereinbarung fordert.
[66] In diesem Sinn Dutta, FamRZ 2013, 4, 8 (eindeutig vor dem Hintergrund der Staatsangehörigkeit testiert); Odersky, notar 2013, 3, 5 (bei "speziellen Rechtsinstituten" idR konkludente Rechtswahl); Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2395 (das Problem mit der Frage nach dem "Handeln unter falschem Recht" vermengend); wohl auch Wilke, RIW 2012, 601, 606; Woller, ZErb 2012, 227, 231; offen Lechner, NJW 2013, 26, 27; tendenziell enger Dörner, ZEV 2012, 505, 511.
[67] Näher Staudinger/Magnus (Fn 40), Art. 3 Rom I-VO Rn 71; Nordmeier, in: Gebauer/Wiedmann (Fn 40), Kap. 37 Rn 26.
[68] Siehe auch Dutta, FamRZ 2013, 3, 8 (eindeutiges Testieren vor dem Hintergrund des Staatsangehörigkeitsrechts genüge für Rechtswahl).

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