1. Das gemäß den §§ 38, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel des Beteiligten zu 1) ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.

Gegen die Ablehnung der Einziehung eines Erbscheins beschwerdeberechtigt ist jeder, der das einem anderen bescheinigte Erbrecht selbst in Anspruch nimmt. Dies ist beim Beteiligten zu 1) der Fall, der bei einem Erfolg seiner Anfechtung der Erbausschlagung für sich und seine Kinder selbst als Erbe in Betracht kommt.

Im Erbscheinsverfahren ist der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln; ob ein bereits erteilter Erbschein unrichtig und daher nach § 2361 BGB einzuziehen ist, muss ohne Rücksicht auf Vorbringen und Anträge der Beteiligten entschieden werden (BGH, NJW 2006, 3353, 3354). Ergeben sich erst im Beschwerdeverfahren Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins, so hat das Beschwerdegericht die Zweifel zu klären. Es prüft alle Gesichtspunkte selbst, die geeignet sind, die Unrichtigkeit des Erbscheins zu begründen, §§ 68 Abs 3, 26 FamFG (Stephanie Herzog in Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, Rn 52 zu § 2361 BGB mwN ).

Die volle Überprüfungsmöglichkeit des Beschwerdegerichts ist durch den erstinstanzlichen Verfahrensgegenstand und den beim Beschwerdegericht angefallenen Gegenstand beschränkt. Das ergibt sich aus dem Wesen des Rechtsmittelverfahrens, das notwendigerweise keine andere Angelegenheit betreffen darf als diejenige, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen ist (BGH, FGPrax 2011, 78).

Verfahrensgegenstand im ersten Rechtszug war hier die Einziehung des Erbscheins, wobei der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 20.9.2010 neben einer Anfechtung seiner Ausschlagungserklärung wegen Irrtums über den Wert des Nachlasses geltend gemacht hat, dass er auch darüber geirrt habe, dass die Ausschlagung für seine drei weiteren Kinder wirksam sei und zum Anfall der Erbschaft an seinen Sohn … geführt habe. Diese sei jedoch mangels familiengerichtlicher Genehmigung unwirksam.

2. Der Einziehungsantrag des Beteiligten zu 1), der rechtlich eine Verfahrensanregung nach den §§ 2361 Abs. 3 BGB, 24 Abs. 1 FamFG darstellt, ist begründet, da nach dem sich aus dem Akteninhalt ergebenden Sachverhalt der Erbschein unrichtig ist (§ 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die Erbscheinerteilung stellt sich schon deshalb als fehlerhaft dar, weil das Amtsgericht zu Unrecht von der Wirksamkeit der Erbausschlagung des Beteiligten zu 1) und seiner Ehefrau hinsichtlich der Kinder …, … und … ausgegangen ist, denn diese bedurfte entgegen der Auffassung des Amtsgericht der familiengerichtlichen Genehmigung gem. § 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB, die nicht vorliegt.

§ 1643 BGB enthält insoweit zwingendes Recht (Palandt/Diederichsen, BGB, 71. Aufl., Rn 1 zu § 1643).

Das Amtsgericht ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die Ausnahmeregelung des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach für den Fall, dass der Anfall der Erbschaft erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils eintritt, der das Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil vertritt, die Genehmigung nur erforderlich ist, wenn dieser neben dem Kind berufen ist, zur Anwendung kommt.

Zwar betrifft § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB nach seinem Wortlaut auch den Fall, dass die Eltern die Erbschaft für drei ihrer Kinder ausschlagen und für ein Kind annehmen; mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist dies aber nicht in Einklang zu bringen. Hinter § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB steht die Vermutung, dass nach der Lebenserfahrung anzunehmen ist, dass für den Fall, dass die Eltern eine Erbschaft ausschlagen, der Anfall dann auch für das Kind nachteilig ist oder sonst ein guter Grund für die Ausschlagung vorliegt (Palandt/Diederichsen, aaO, Rn 2 mwN). Diese Vermutung ist widerlegt, wenn das Verhalten der Eltern zeigt, dass sie die Erbschaft für sich selbst nicht ausgeschlagen haben, weil ihre Annahme nachteilig wäre, sondern weil sie den Nachlass in eine bestimmte Bahn lenken wollten (Ivo, Die Erbschaftsausschlagung für das minderjährige Kind, ZEV 2002, 309, 313). In einem solchen Fall liegt das Interesse, das die Eltern bei der Ausschlagung für sich selbst verfolgen, nicht auf der gleichen Linie wie das Interesse der Kinder, für die sie die Erbschaft gleichfalls ausschlagen; die Eltern wollen die Erbschaft nicht – aus welchen Gründen auch immer – von den als Ersatzerben berufenen Kindern schlechthin fernhalten, sondern in eine bestimmte Richtung lenken. Eine solche gezielte Maßnahme, die einen Teil der Kinder benachteiligt, aber andere oder ein anderes begünstigt, soll nicht der Kontrolle des Familiengerichts entzogen sein (Staudinger/Engler, BGB, Neubearb. 2009, Rd. 38 c zu § 1643 mit umfangr.Nachw.; zur "selektiven Ausschlagung" vgl. auch Sagmeister, ZEV 2012, 121, 123).

Da die Erbausschlagungen der weiteren Kinder des Beteiligten zu 1) mangels der erforderlichen familiengerichtlichen Genehmigung (§ 1643 Ab...

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