Der Gesetzgeber lässt die beiden Existenzsicherungssysteme des SGB II und SGB XII tatbestandlich auseinanderdriften. Der Begriff des Einkommens weicht voneinander ab. Neu ist auch die Abschaffung der sozialhilferechtlichen Erbenhaftung im SGB II.

In § 35 SGB II war bisher in großer Ähnlichkeit zu § 102 SGB XII die sozialhilferechtliche Erbenhaftung geregelt. Zu Lebzeiten geschenktes Vermögen verlor demnach nach dem Tod seinen Schonvermögenscharakter und der Erbe musste aus dem jetzt verbleibenden Nachlass die Sozialhilfekosten der letzten 10 Jahre zurückzahlen.

Die damit verbundenen Schwierigkeiten haben den Gesetzgeber des SGB II kapitulieren lassen:[69]

Zitat

"Die Aufhebung des § 35 SGB II führt zu einer Verwaltungsvereinfachung. Die Vorschrift hat sich als durch die Jobcenter aufgrund erheblicher praktischer Probleme nur schwer umsetzbar erwiesen. Anders als die Sozialhilfeträger, bei denen Leistungsberechtigte im Regelfall bis zu ihrem Ableben im Leistungsbezug verbleiben, erhielten die Jobcenter nur selten Kenntnis vom Ableben zuletzt nicht mehr leistungsberechtigter Personen. Die Anwendung des § 35 war somit im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz problematisch, da dieser Ersatzanspruch nicht regelmäßig und systematisch, sondern nur in Einzelfällen geltend gemacht wurde. Wurde das Ableben einer vormals leistungsberechtigten Person im Einzelfall bekannt, war der im Zusammenhang mit der Geltendmachung verbundene Verwaltungsaufwand für die Jobcenter sehr hoch. Diesem hohen Verwaltungsaufwand standen nur geringe Mehreinnahmen gegenüber.[70]"

Die Schwierigkeiten im SGB II haben den Gesetzgeber des SGB XII nicht beeindruckt, sodass die Rechtsprechung auch weiterhin entscheidet, dass es einen Grundsatz "Einmal Schonvermögen, immer Schonvermögen" im SGB XII nicht gibt.[71] Das trifft insbesondere Ehegatten, die bei Pflegebedürftigkeit oder Behinderung ihres Ehepartners die zumeist im Miteigentum stehende Immobilie weiter bewohnen. Auch in jüngster Zeit hatten die Sozialgerichte[72] solche Fälle zu entscheiden und verneinten z. B. eine besondere Härte der Inanspruchnahme selbst dann, wenn es sich bei dem ererbten Grundbesitz um Miteigentum an dem Haus handelt, das ein Erbe mit seinem Ehegatten bewohnt hat und nach seinem Tod weiterhin bewohnt. Eine die Ersatzpflicht ausschließende Härte könne zwar im Einzelfall vorliegen, wenn der Vermögensgegenstand vor dem Erbfall im Miteigentum des Leistungsberechtigten und des Erben stand. Das wird aber für Fälle angenommen, bei denen der Miteigentumsanteil für beide Ehegatten gleichermaßen als Schonvermögen geschützt war. Anders ist es aber, wenn, wie im entschiedenen Fall, die Klägerin nicht im Sozialhilfebezug stand und aufgrund ihrer Pensionsbezüge und Einnahmen aus der privaten Rente nicht hilfebedürftig war. Selbst wenn dies zum Verlust eines früheren Familienheims führen kann, sieht die Rechtsprechung darin keinen atypisch gelagerten Fall mit Ausnahmecharakter, was die Voraussetzung für das Vorliegen einer besonderen Härte ist, sondern eine häufig anzutreffende Konstellation, wenn nicht sogar den typischen Fall des §§ 102 SGB XII“.[73]

Eine auch nicht selten anzutreffende Fallkonstellation der sozialhilferechtlichen Erbenhaftung hatte schließlich jüngst das SG Detmold zu entscheiden.[74]

Der Fall: Die Erbenhaftung und der nicht gezahlte Eigenanteil

Die Mutter S war heimpflegebedürftig geworden. Sie war hälftige Eigentümerin einer Immobilie zusammen mit ihrem Ehemann, die dieser immer noch bewohnte. Tochter und Ehemann waren Miteigentümer der Immobilie gewesen.

Der Sozialhilfeträger hatte Leistungen unter Berücksichtigung eines Eigenanteils (§ 92 a SGB XII) bewilligt, den die Eheleute aber nicht an das Heim gezahlt hatten.

Das SG bestätigte die Inanspruchnahme der Erben aus sozialhilferechtlicher Erbenhaftung nach § 102 SGB XII und hielt die Forderung des Pflegeheims nicht für vom Nachlass abzugsfähig, weil "solche Verbindlichkeiten nicht vom Wert des Nachlasses in Abzug gebracht werden können, die im sozialhilferechtlichen Leistungsverhältnis dadurch zustande gekommen sind, dass der Leistungsberechtigte oder eine andere gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII einstandspflichtige Person den im SGB XII geregelten Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist."[75]

[68] LSG Sachsen vom 27.8.2015 – Az: 2 AS 1161/13.
[69] Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Auseinandersetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016 (BGB I I S. 1710) zu Nr. 8 zu Buchstabe a, zu Doppelbuchstabe aa, zu § 11 Abs. 1 S. 1.
[70] Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Auseinandersetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016 (BGB I I S. 1710) zu Nr. 31, zu § 35, 51.

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