Die nach § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere gemäß § 63 Abs. 1 FamFG fristgerecht eingelegt worden. (...)

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Erbfolge nach dem Erblasser bestimmt sich entgegen der Menung des Nachlassgerichts nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 20.1.2009.

Die Formulierungen bei gleichzeitigem Ableben oder bei gleichzeitigem Versterben werden in der Rechtsprechung über den strengen Wortsinn hinaus – nach dem nur der Fall geregelt wäre, in dem die untereinander erbberechtigten Personen im gleichen Bruchteil einer Sekunde den Tod finden (vgl. BayObLGZ 1996, 243/247) – so ausgelegt, dass sie auch noch Fallgestaltungen betreffen, in denen von einem gleichzeitigen Tod nur im weiteren Sinne die Rede sein kann, in denen aber im Hinblick auf den Sinn einer derartigen Regelung praktisch kein Unterschied zum gleichzeitigen Tod der Ehegatten im engeren Sinne besteht.

Ehegatten, die sich gegenseitig zu Erben einsetzen, ohne diese Regelung mit einer Erbeinsetzung für den Tod des Längerlebenden von ihnen (Schlusserbeneinsetzung) zu verbinden, bezwecken damit, dass dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zufällt und dass er über das Gesamtvermögen – auch von Todes wegen – frei verfügen kann. Ein zustäzlicher Regelungsbedarf besteht dann für den Fall des gleichzeitigen Todes, in dem es nicht zu einer Beerbung des einen Ehegatten durch den anderen – und zu einer weiteren Verfügung von Todes wegendes überlebenden Ehegatten – kommt. Dieser Regelungsbedarf besteht nicht nur für den Fall des in engerem Sinn gleichzeitigen Todes, sondern auch in Fällen, in denen die Ehegatten innerhalb kürzeren Zeitraums nacheinander sterben, sei es aufgrund ein und derselben Ursache, z. B. eines Unfalls, sei es aufgrund verschiedener Ursachen, wenn der Überlebende nach dem Tod des Erstversterbenden praktisch keine Möglichkeit mehr hat, ein Testament zu errichten. In diesem Fall des Versterbens kurz nacheinander würde zwar die gegenseitige Erbeinsetzung greifen, doch hinge es vom Zufall der Reihenfolge des Versterbens ab, ob – wenn keine entsprechende letztwillige Verfügung getroffen wurde – den gesetzlichen Erben des Ehemannes oder den gesetzlichen Erben der Ehefrau das gesamte Vermögen beider Ehegatten zufließt. Es ist daher sinnvoll und naheliegend, wenn die Ehegatten die gegenseitige Beerbung anordnen und im Übrigen dem Überlebenden freie Hand lassen wollen, eine zusätzliche Regelung jedenfalls für den Fall zu treffen, dass keiner der anderen überlebt oder der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.10.2013, 1 Wx 139/13 mwN, zit. nach juris).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben geht der Senat vorliegend davon aus, dass der Erblasser seiner Ehefrau mit 15 Wochen und vier Tagen noch so zeitnah nachverstorben ist, dass von einem gleichzeitigen Versterben im Sinne der Anordnung im gemeinschaftlichen Testament ausgegangen werden muss. Bei der Beantwortung der Frage, welcher Zeitraum bei der Alternative zu bemessen ist, dass der Längerlebende praktisch keine Möglichkeit hatte, eine neue letztwillige Verfügng zu errichten, ist auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen. Hierbei ist vor allem auch die Trauerphase einzubeziehen, in dem von dem längerlebenden Ehegatten nicht erwartet werden kann, dass dieser sogleich ein neues Testament errichtet (vgl. Horn in Horn/Kroiß, Testamentsauslegung, § 23 Rn 14). In diesem Zusammenhang ist vor allem zu sehen, dass der Erblasser und seine Ehefrau 52 Jahre verheiratet waren und dass – nach unwidersprochenem Vorbringen – der Tod der Ehefrau den 81-jährigen zutiefst erschüttert und ihn völlig aus der Bahn geworfen hat. Bei Berücksichtigung dieser Umstände konnte vom Erblasser die Errichtung einer neuen letztwilligen Verfügung bis zum eigenen Tod jedoch nicht erwartet werden. (...)

ZErb 4/2015, S. 130 - 131

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