§ 2306 BGB schützt den pflichtteilsberechtigten Erben, der zwar einen Erbteil erhalten hat, aber mit Beschränkungen und Beschwerungen belastet ist, was seine Mindestbeteiligung am Nachlass (wirtschaftlich) gefährdet. Einen Pflichtteilsanspruch hat grundsätzlich nur, wer "durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen" ist (§ 2303 Abs. 1 BGB). Hat der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten zwar nicht enterbt, aber durch die Anordnung von Beschränkungen oder Beschwerungen erheblich beeinträchtigt, so läuft der Pflichtteilsberechtigte Gefahr, selbst dann weniger als den Pflichtteil zu erhalten, wenn der ihm hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils übersteigt. Ist der Erbteil mit Beschränkungen und Beschwerungen belastet, steht dem pflichtteilsberechtigten Erben daher seit dem Jahr 2010 ein generelles Wahlrecht zu.[24] Er kann

entweder den Erbteil mit allen Beschränkungen oder Beschwerungen annehmen oder
seinen Erbteil ausschlagen und dennoch den vollen Pflichtteil verlangen.

Entscheidet sich der Pflichtteilsberechtigte für die Ausschlagung, führt seine Entscheidung also ausnahmsweise nicht zum Verlust des Pflichtteils. Der pflichtteilsberechtigte Erbe kann stets nur entweder den Erbteil mit allen Beschränkungen oder Beschwerungen annehmen oder die Zuwendung ausschlagen und den vollen Geldpflichtteil fordern. Damit ist sein unbelasteter Erbteil nicht geschützt, wie dies noch nach der alten Rechtslage der Fall gewesen war. Ein automatisches Entfallen der Belastungen in Konstellationen, in denen der Erbe lediglich bis zur Höhe des Pflichtteils zum Erben berufen ist, gibt es nicht mehr.[25]

Zwar vollzieht sich der erbrechtliche Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft im Wege der Sondererbfolge und nicht als Universalsukzession. Er erfolgt gleichwohl auf erbrechtlichem Wege und nicht etwa nach § 331 BGB. Die Beteiligung an einer Personengesellschaft ist damit – unbeschadet der Sonderrechtsnachfolge – Teil des Nachlasses. Nicht endgültig entschieden ist, ob gesellschaftsvertragliche Nachfolgeklauseln den Tatbestand des § 2306 BGB erfüllen können. Die Beantwortung der Frage kann aber im Einzelfall von erheblicher Bedeutung sein, da der pflichtteilsberechtigte Erbe durch eine Ausschlagung die gesamte Nachfolgegestaltung zu Fall bringen und gleichwohl seinen Pflichtteilsanspruch verlangen könnte.

Zur Frage, wie sich das geschilderte System der Sondererbfolge in Personengesellschaftsanteile in die Systematik des § 2306 BGB einfügt, hat das OLG Hamm in einer Entscheidung aus dem Jahr 1991 ausgeführt, dass § 2306 BGB in Bezug auf gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklauseln nicht anwendbar sei, und dies mit "gesellschaftsrechtlichen Erwägungen" begründet.[26] Auch Stimmen in der Literatur lehnen die Anwendung von § 2306 BGB zumeist wegen der damit einhergehenden unerwünschten Folgen ab.[27]

[24] § 2306 Abs. 1 BGB ist durch das Erbrechtsreformgesetz umfassend neu geregelt und der Regelung des § 2307 BGB angepasst worden; vgl. Herzog/Lindner, ZFE 2012, 219 f; Lange in Bonefeld/Kroiß/Lange, Die Erbrechtsreform, 2010, § 8 Rn 9; Metzler, Ausschlagung und Erbverzicht in der dogmatischen Analyse, 2013, S. 354 ff.
[25] Bartsch, ZErb 2009, 71, 74; jurisPK-BGB/Birkenheier (Fn 18), § 2306 Rn 8; Lange, in Bonefeld/Kroiß/Lange (Fn 24), § 8 Rn 12 ff; J. Mayer in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 2306 Rn 1; Erman/Schlüter (Fn 10), § 2306 Rn 1.
[26] OLG Hamm DNotZ 1992, 320, 322; dem zustimmend Dieckmann in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2002, § 2306 Rn 9; in Ansätzen auch Haas in Staudinger, BGB, Stand 2006, § 2306 Rn 28.
[27] Vgl. etwa jurisPK-BGB/Birkenheier (Fn 18), § 2306 Rn 52; Keller, ZEV 2001, 297, 299 f; Damrau/Riedel (Fn 11), § 2306 Rn 20.

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