Dem Gesetzgeber bleibt nun – erneut – die Möglichkeit, einen verfassungsgemäßen Zustand durch eine umfassende Nachbesserung oder grundsätzliche Neukonzeption der Gesamtverschonungsregelung herbeizuführen.

Zu einer Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer – wie immer wieder und insbesondere nach der Abschaffung der Steuer in Österreich einigenorts gefordert[6] – wird es sicherlich nicht kommen. Dem dürften in rechtlicher Hinsicht die – zwar nicht von der Mehrheit des Senats getragenen – Überlegungen des Sondervotums der Richter Gaier, Masing und Baer entgegenstehen, nach der die Erbschaftsteuer auch ein Instrument des Sozialstaates ist, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst, und sich die die materielle Verfassungswidrigkeit der §§ 13 a, 13 b ErbStG daher zusätzlich auf das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG stützen lässt. Auch der politische Wille für eine gänzliche Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist (derzeit) nicht vorhanden.

Bei der Überarbeitung kann und sollte sich der Gesetzgeber an den Leitgedanken und zahlreichen Hinweisen des BVerfG orientieren. Diese sollen hier vorgestellt werden:

[6] So etwa auf dem Symposium des Deutschen wissenschaftlichen Instituts der Steuerberater e.V. – "Die Zukunft der Erbschaft- und Schenkungsteuer”, s. Bethke/Kalina-Kerschbaum, DStR 2014, 241, 244."

a) Verfassungsrechtliche Rechtfertigungsmöglichkeiten und Grundprobleme der aktuellen Verschonungsregelungen

Die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, mithilfe des Steuerrechts außerfiskalische Förder- und Lenkungsziele zu verfolgen, ist nicht zu beanstanden (Tz 124). Zudem ist der Gesetzgeber in der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen aus Gründen des Gemeinwohls gefördert werden sollen, weitgehend frei (Tz 125). Allerdings kann diese Freiheit im Steuerrecht durch das Ausmaß der mit der Steuerverschonung bewirkten Ungleichbehandlung und durch deren Auswirkung auf die gleichheitsgerechte Erhebung dieser Steuer insgesamt eingeschränkt sein mit der Folge, dass der Gesetzgeber insoweit einer über eine bloße Willkürprüfung hinausgehenden strengeren Kontrolle am Maßstab der Verhältnismäßigkeit unterliegt (Tz 126). Dies ist hier gegeben, da die durch die Verschonungsregelungen der §§ 13 a, 13 b ErbStG bewirkte Ungleichbehandlung zwischen Erwerbern begünstigten und sonstigen Vermögens nach Auffassung des BVerfG enorm ist (Tz 128).

Dabei ist das Ziel des Gesetzgebers, durch die steuerliche Verschonung Unternehmen, die durch einen besonderen personalen Bezug des Schenkers oder Erblassers oder auch des Erwerbers zum Unternehmen geprägt sind, vor Liquiditätsproblemen durch die erbschaft- oder schenkungsteuerliche Belastung des Unternehmensübergangs zu bewahren und so deren Bestand und der Erhalt der Arbeitsplätze bei der Unternehmensnachfolge zu sichern, legitim (Tz 133). Die Verschonungsregelungen sind ferner geeignet, diese Ziele zu verfolgen und im Grundsatz auch erforderlich, jedoch nicht durchgehend verhältnismäßig im engeren Sinne (Tz 139, 140). Die Grenze der Unverhältnismäßigkeit ist überschritten, soweit die Verschonung auch solche Unternehmen erfasst, welche die Größe kleiner und mittlerer Unternehmen überschreiten, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen (Tz 155).

Ausdrücklich weist das BVerfG in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Gesetzgeber einerseits die Möglichkeit hat, die festgestellte unangemessene Ungleichbehandlung zwischen begünstigten und nicht begünstigten Vermögensübertragungen durch die exakte Bestimmung des Kreises kleiner und mittelständischer Unternehmen und durch die Begrenzung der Verschonung ohne Bedürfnisprüfung auf diese sicherzustellen. Er hat andererseits aber auch die Wahl, eine absolute Obergrenze für den Wert des begünstigten Vermögens festzulegen[7], jenseits derer die Steuerverschonung endet und steuerbedingten Gefährdungen von Unternehmensübergängen etwa durch eine möglicherweise neu gestaltete Stundungsregelung begegnet wird. Für den Fall, dass der Gesetzgeber auch bei der Übertragung größerer Unternehmen am Steuerverschonungsmodell festhalten möchte, hat er aber zu prüfen, ob in diesem Fall die gebotene Prüfung der Verschonungsbedürftigkeit von Erwerbern solcher Unternehmen auch durch die Erbschaft oder Schenkung miterworbenes, nicht begünstigtes Vermögen oder unter Umständen schon vor dem Erwerb vorhandenes eigenes Vermögen berücksichtigt, mit der Folge, dass der Erwerber dies zur Begleichung einer Steuerschuld aus dem Unternehmensübergang einzusetzen hätte (Tz 175).

[7] Das BVerfG verweist in diesem Zusammenhang auf die Förderungshöchstgrenze von 100 Millionen EUR hin, wie sie im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unternehmensnachfolge vom 30. Mai 2005 (vgl. BTDrucks 15/5555, 10) vorgesehen war.

b) Beurteilung der Ausgestaltung der §§ 13 a, 13 b ErbStG im Einzelnen

Darüber hinaus hat das BVerfG auch in Teilen die Ausgestaltung der §§ 13 a, 13 b ErbStG im Einzelnen als nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar angesehen, sowohl im Hinblick auf die Unglei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge