In der Neugestaltung wurde die Regelung der ärztlichen Zwangsmaßnahme aus dem § 1906 BGB (die ehemaligen Absätze 3 und 3 a) herausgelöst und ist nun in einer eigenen Norm beschrieben, dem § 1906 a BGB. Vieles entspricht dem bisherigen Gesetzestext bzw. wurde lediglich modifiziert. Kumulative Voraussetzungen sind zunächst: Erforderlichkeit zur Abwehr drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens, fehlende Einsichtsfähigkeit, Übereinstimmung mit dem früher (z. B. in einer Patientenverfügung) erklärten, freien oder dem mutmaßlichen Willen (neu), Überzeugungsversuche (modifiziert), Fehlen von Alternativmaßnahmen und deutliches Überwiegen des Nutzens.

Dass eine Patientenverfügung und auch ein freier oder mutmaßlicher Wille zu beachten sind, sollte schon bisher selbstverständlich gewesen sein. Dass der Gesetzgeber sich bemüßigt sah, dies nun in § 1906 a Abs. 1 Nr. 3 BGB ausdrücklich zu regeln, lässt einen die (bisherige) Praxis mit Skepsis betrachten. Entsprechendes gilt für die Einfügung, nach der der Überzeugungsversuch "ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks" erfolgen muss. Wenn das gleichsam der Erziehungsversuche bei einem Kleinkind ("jetzt aber wirklich") betont werden muss, spricht viel für erhebliche Umsetzungsdefizite in der Praxis.[11]

Zentral ist die neue Anforderung in Abs. 1 S. 1 Nr. 7: Eine Einwilligung des Vertreters des Betroffenen ist danach nur möglich, wenn zudem "die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus, in dem die gebotene medizinische Versorgung des Betreuten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist, durchgeführt wird." Der stationäre Aufenthalt soll zu einer sorgfältigen Prüfung der Voraussetzungen beitragen.[12] Es kann sich dabei auch um eine offene Station handeln, die auch nicht zur Psychiatrie gehören muss.[13]

Die ärztliche Zwangsmaßnahme wurde also von der Unterbringung entkoppelt. Wenn der Betroffene untergebracht und die Einrichtung ein Krankenhaus wie beschrieben ist, kann er wie bisher zwangsbehandelt werden. Zusätzlich kann dies nun auch andere Personen betreffen, die nicht untergebracht sind, sich aber in einem solchen Krankenhaus befinden. Eine ambulante, ärztliche Zwangsmaßnahme in einem Pflegeheim oder in der Wohnung des Betroffenen ist allerdings weiter nicht möglich. Es wird befürchtet, dass sonst die oft traumatisierende Zwangsbehandlung ohne ausreichende Prüfung von Behandlungsalternativen durchgeführt wird.[14]

Etwas versteckt und schwierig zu erfassen ist die Regelung in Absatz 4. Danach sind für eine "Verbringung" in ein Krankenhaus einige Voraussetzungen des § 1906 BGB zu erfüllen. Damit wird ermöglicht, dass ein Betroffener, der sich nicht in einem Krankenhaus befindet, zu einer Zwangsmaßnahme dorthin gebracht werden kann, auch wenn er sich dagegen wehrt. Die Zwangsmaßnahme muss nur "in Betracht" kommen, womit ein Automatismus verhindert werden soll. Nach einer Verbringung kann es sich also herausstellen, dass eine ärztliche Zwangsmaßnahme doch nicht erfolgen muss, weil die Voraussetzungen fehlen oder der Betroffene sich letztlich freiwillig behandeln lässt.

[11] Kritisch mit Blick auf jedenfalls fehlende Dokumentation auch: BGH XII ZB 121/14, NJW 2014, 2497 (2499).
[12] BTDrucks 18/11240, 15.
[13] Zur Abgrenzung: Lipp/Güttler, BtPrax 2017, 94.
[14] Vgl. z. B. Leonhard, RDienst Lebenshilfe 2017, 141 (143).

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