Die Thematik sei an einem Beispiel zu § 2318 Abs. 3 BGB (Vermächtniskürzung durch den pflichtteilsberechtigten Erben) verdeutlicht:[10] Die verwitwete Erblasserin E hinterlässt zwei Kinder, K1 und K2, einen Nachlasswert von 100.000 EUR und ein Testament, in dem sie K1 zum Alleinerben eingesetzt, ihrem Lebensgefährten L ein Vermächtnis über 60.000 EUR ausgesetzt und gemäß § 2324 BGB angeordnet hat, dass der Erbe abweichend von § 2318 Abs. 1 BGB die Last des Pflichtteils des K2 allein tragen und das Vermächtnis nicht entsprechend anteilig kürzen darf. K1 hatte vor langer Zeit auf seinen Pflichtteil nach E verzichtet. K2 verlangt seinen Pflichtteil von 25.000 EUR und L besteht auf sein Vermächtnis. Kann K1 das Vermächtnis des L nach § 2318 Abs. 3 BGB um 10.000 EUR kürzen, damit ihm sein eigener Pflichtteil von 25.000 EUR verbleibt? Dies hängt entscheidend davon ab, ob der früher erklärte Pflichtteilsverzicht des K1 ihm nun dieses Recht nimmt (Fernwirkung) oder nicht.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung des § 2318 Abs. 2 BGB (Pflichtteilsvorbehalt gegen Vermächtniskürzung durch Erben): Die verwitwete Erblasserin E hinterlässt zwei Kinder, K1 und K2, einen Nachlasswert von 100.000 EUR und ein Testament, in dem sie ihren Lebensgefährten L zum Alleinerben eingesetzt und zugunsten des K1 ein Vermächtnis über 30.000 EUR ausgesetzt hat. Eine von § 2318 Abs. 1 BGB abweichende Anordnung hat E nicht getroffen. K1 hatte vor langer Zeit auf seinen Pflichtteil nach E verzichtet. K2 verlangt seinen Pflichtteil von 25.000 EUR. K1 besteht auf sein Vermächtnis. L möchte das Vermächtnis des K1 nach § 2318 Abs. 1 BGB anteilig um 7.500 EUR (3/10 x 25.000 EUR) auf 22.500 EUR kürzen.[11] Kann K1 nach § 2318 Abs. 2 BGB die Kürzung auf EUR 5.000 beschränken, damit ihm sein eigener Pflichtteil von EUR 25.000 verbleibt? Dies hängt entscheidend davon ab, ob der früher erklärte Pflichtteilsverzicht des K1 ihm nun dieses Recht nimmt (Fernwirkung) oder nicht.

Ein Beispiel zur Demonstration des § 2319 S. 1 BGB (Pflichtteilsvorbehalt des Miterben nach Teilung gegen den Pflichtteil): Die verwitwete Erblasserin E hinterlässt zwei Kinder, K1 und K2, einen Nachlasswert von 100.000 EUR und ein Testament, in dem sie ihren Lebensgefährten L zum Erben zu 65/100 und K1 zum Erben zu 35/100 eingesetzt hat. Nachdem L und K1 den Nachlass geteilt haben, verlangt K2 von K1 seinen Pflichtteil von 25.000 EUR. K1 hatte vor langer Zeit auf seinen Pflichtteil nach E verzichtet. K1 möchte K2 nur 10.000 EUR leisten und in Höhe von weiteren 15.000 EUR unter Berufung auf § 2319 S. 1 BGB die Leistung verweigern, damit ihm sein eigener Pflichtteil von 25.000 EUR verbleibt. Zu Recht? Dies hängt entscheidend davon ab, ob der früher erklärte Pflichtteilsverzicht des K1 ihm nun dieses Recht nimmt (Fernwirkung) oder nicht.

§ 2328 BGB (Kürzung der Pflichtteilsergänzung durch den pflichtteils(ergänzungs)berechtigten Erben) sei an einem Beispiel verdeutlicht: Die verwitwete Erblasserin E hinterlässt zwei Kinder, K1 und K2, einen Nachlasswert von 100.000 EUR und ein Testament, in dem sie K1 zum Alleinerben eingesetzt hat. K1 hatte vor langer Zeit auf seinen Pflichtteil nach E verzichtet. Wenige Wochen vor ihrem Tod hat E ihrem Lebensgefährten L 300.000 EUR geschenkt. K2 verlangt von K1 seinen Pflichtteil von 25.000 EUR und Pflichtteilsergänzung von 75.000 EUR. Kann K1 die Pflichtteilsergänzung nach § 2328 BGB verweigern? Dies hängt entscheidend davon ab, ob der früher erklärte Pflichtteilsverzicht des K1 ihm nun dieses Recht nimmt (Fernwirkung) oder nicht.

[10] Für ausführliche Berechnungsbeispiele vgl. Dahlkamp, RNotZ 2014, 257, 263 ff.
[11] Zur Berechnung vgl. BeckOGK/Reisnecker, Stand 1.10.2016, § 2318 Rn 15.

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