Bestehen nach sorgfältiger Prüfung des Gerichts Zweifel an der Testierfähigkeit, sind sie regelmäßig durch ein Gutachten eines Sachverständigen zu klären.[150]

Derartige Gutachten fallen in den Zuständigkeitsbereich der Medizin (nicht etwa der Psychologie), und zwar dort in das Fachgebiet der Psychiatrie und zwar unabhängig von ihrer Verursachung, hier der Psychopathologie als der Lehre von der krankheitsbedingten psychisch-geistigen Funktionsstörung.[151] Herangezogen werden sollen Ärzte mit der Zusatzqualifikation oder dem Schwerpunkt "Forensische Psychiatrie" der Ärztekammern oder dem Zertifikat "Forensische Psychiatrie" der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN).[152] Spätestens als Obergutachter sollten diese gewählt werden, weil sie allein sich mit der unterschiedlichen Bedeutung gleicher Begriffe in Jurisprudenz und Medizin sowie den Anforderungen der Rechtsprechung auseinandergesetzt haben.

Die Prüfung verlangt eine sorgfältige Untersuchung unter Einbeziehung der Vorgeschichte und aller äußeren Umstände.[153] Aufgabe des Gutachtens ist es nicht nur, den medizinischen Befund einer Geisteskrankheit oder –schwäche festzustellen, sondern vor allem deren Auswirkungen auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers abzuklären und bei gegebenen Anlass auf die Frage zu erstrecken, ob der Erblasser fähig und in der Lage war, sich im Zuge der Entscheidungsfindung einer Einflussnahme Dritter zu entziehen.[154]

An das Gutachten ist das Gericht allerdings nicht gebunden.[155] Ein guter Gutachter wird dem Gericht alternative Antworten auf die Gutachtensfrage präsentieren und dem Gericht den Expertenkonsens seines Fachgebietes vermitteln.[156] Aufgabe des Gerichts ist es, dem Gutachter vorzugeben, welche Zeugenaussage es als glaubhaft und welchen Zeugen es als glaubwürdig einstuft; dieser kann sein Gutachten dann darauf stützen.[157] Zeigt das Gutachten Widersprüche in sich, ist der Gutachter damit zu konfrontieren.[158]

[150] Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rn 69 ff; BGH Beschl. v. 30.7.2014 – XII ZB 107/14, ErbR 2014, 610; OLG Celle ZEV 2007, 127; BayObLG FamRZ 1985, 742, 743; 1990, 1305; 2001, 55.
[151] Cording, Begutachtung in der Neurologie, Referenz-Reihe Neurologie 2007, S. 168.
[152] Siehe http://www.dgppn.de/fileadmin/user_upload/_medien/dokumente/referate/forensische-psychiatrie/Forensik-Zertifikat_Gutachterliste.pdf.
[153] OLG Frankfurt OLGR 1998, 84; BayObLG OLGR 2004, 229.
[154] NK-BGB/Beck/Kroiß, § 2229 BGB Rn 31.
[155] BGH FamRZ 1984, 1003; BayObLG FamRZ 2001, 55; ZEV 2005, 480, 481; Palandt/Weidlich, § 2229 BGB Rn 12.
[156] Cording, ZEV 2010, 23, 25.
[157] Cording, aaO.

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