Leitsatz (amtlich)

Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Feststellung des LG, Testierfähigkeit des Erblassers bei Errichtung der letztwilligen Verfügung lasse sich feststellen, nur daraufhin überprüfen, ob das LG bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen und die zu stellenden Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt hat.

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 26.09.2006; Aktenzeichen 54-VI 87/04)

LG Hannover (Beschluss vom 07.03.2006; Aktenzeichen 12 T 64/05)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zu erneuter Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 34.030 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Das Rechtsmittel ist begründet.

I. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Das LG hat seine Pflicht verletzt, die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen (§ 2358 Abs. 1 BGB, § 12 FGG).

Seine Überzeugung davon, dass der Erblasser, der am 28.11.2003 in S. verstorbene A. W., im Zeitpunkt der Errichtung seines notariellen Testaments am 8.1.2003 testierfähig gewesen ist, findet in dem Ergebnis der Beweisaufnahme und insb. in dem vom LG eingeholten Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie O. keine ausreichende Stütze.

a) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit nach § 2229 Abs. 4 BGB gegeben sind, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Feststellung des LG, Testierfähigkeit des Erblassers bei Errichtung der letztwilligen Verfügung lasse sich feststellen, nur daraufhin überprüfen, ob das LG bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen und die zu stellenden Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt hat (BayObLG v. 21.7.1999 - 1Z BR 122/98, BayObLGReport 2000, 13 = FamRZ 2000, 701 ff.; Senat v. 28.4.2003 - 6 W 26/03, OLGReport Celle 2003, 311 = NJW-RR 2003, 1093 ff. m.w.N.; Bumiller/Winkler, § 27 Rz. 15). Die Würdigung eines Sachverständigengutachtens kann lediglich darauf geprüft werden, ob der Tatrichter das Ergebnis des Gutachtens kritiklos hingenommen oder unter Nachvollziehung der Argumentation des Sachverständigen dessen Feststellungen und Schlussfolgerungen selbständig auf ihre Tragfähigkeit geprüft und sich eine eigene Überzeugung gebildet hat (BayObLG v. 3.12.1998 - 1Z BR 164/97, FamRZ 1999, 817, 818; Keidel/Meyer-Holz, § 27 Rz. 43).

Das LG hat hierzu dargelegt:

"... In sich nachvollziehbar führt der Sachverständige aus, dass der Erblasser zwar familiäre und später auch betreuungsrechtliche Hilfe in Anspruch genommen habe, aber unter Zugrundelegung der Aussagen der den Erblasser behandelnden Ärzte keine ausreichenden Hinweise auf eine aufgehobene Testierfähigkeit zu finden seien, mithin von Testierfähigkeit auszugehen sei ..."

b) Diese Beweiswürdigung hält hinsichtlich der zentralen Frage der Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seiner Erklärung vor dem Notar einer Nachprüfung im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht stand.

Nach § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Das Gesetz verbindet danach nicht mit jeder Geisteskrankheit oder -schwäche die Testierunfähigkeit, sondern sieht die Fähigkeit, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entschließung von normalen Erwägungen leiten zu lassen, als maßgebend an (BayObLG v. 14.9.2001 - 1Z BR 124/00, BayObLGReport 2002, 80 = FamRZ 2002, 1066, 1067; BayObLG v. 24.10.2001 - 1Z BR 40/01, BayObLGReport 2002, 169 = NJW-RR 2002, 1088; Palandt/Edenhofer, BGB, 62. Aufl., § 2229 Rz. 7). Testierunfähig ist danach derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen die sittliche Berechtigung einer letztwilligen Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von Wahnideen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwa interessierter Dritter zu handeln (BayObLG v. 19.4.2000 - 1Z BR 159/99, BayObLGReport 2000, 43 = FamRZ 2001, 55; 2000, 701, 703; OLG Frankfurt v. 22.12.1997 - 20 W 264/95, OLGReport Frankfurt 1998, 84 = NJW-RR 1998, 870). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen zustande gekommen ist und von einem klaren Urteil über die Bedeutung seiner Anordnungen, das frei von Einflüssen Dritter zustande ekommen ist, getragen wird (BGH, F...

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