Die Beurteilung der steuerlichen Konsequenzen des Nacherbfalls und das damit verbundene Heranreifen des Erstattungsanspruchs zu einem unbedingten, durchsetzbaren Anspruch erfordert zunächst, den Unterschied zu den im ersten Teil des Aufsatzes erörterten Veräußerungsgewinnen zu skizzieren: Ein Veräußerungsgewinn, der aus Substanzwertsteigerungen resultiert, etwa wenn Acker- zu Bauland wird, steht (1) dem Nachlass zu, wird (2) wie der gesamte Veräußerungserlös im Wege der dinglichen Surrogation unmittelbar Teil des Nachlasses und geht (3) als Teil des Nachlasses mit Eintritt des Nacherbfalls auf den Nacherben ex lege über, ohne dass es rechtsgeschäftlicher Übertragungsakte bedarf. Zu beurteilen ist also nicht die steuerliche Behandlung einer schuldrechtlichen Verpflichtung des Vorerben, den erzielten Veräußerungsgewinn dem Nacherben zu erstatten. Denn dieser hat den Veräußerungsgewinn bereits als Folge der dinglichen Surrogation und des ex-lege-Übergangs des Nachlasses erhalten; es gibt nichts mehr, was noch zu erstatten wäre. Der ex-lege-Übergang in der Sekunde des Eintritts des Nacherbfalls unterfällt § 6 Abs. 3 EStG/dem Grundsatz, dass der Erbvorgang selbst einkommensteuerlich irrelevant ist. Es geht bei den Veräußerungsfällen lediglich noch um die nachgelagerte Problematik, dass zwar der Nachlass ex lege übergegangen ist, aber – falls nicht bereits aus dem Nachlass beglichen – nicht auch die Steuerlast auf den erzielten Veräußerungsgewinn. Betroffen ist damit in den vorerörterten Veräußerungsfällen allein die Ebene der Steuerlast, deren Zahlung nicht in den Bereich der Einkünfteerzielung, sondern in den Bereich der Einkommensverwendung fällt.

Demgegenüber geht es im Bereich der §§ 2124, 2125 BGB nicht um die Erstattung einer Steuerlast, sondern um die Erstattung der Kosten selbst. Betroffen ist damit die vorgelagerte steuerlich relevante Ebene der Einkunftserzielung, nicht die nachgelagerte steuerlich irrelevante der Einkommensverwendung (nämlich zur Steuerzahlung). Dies vorausgeschickt, stellt sich die steuerliche Würdigung der Erstattung von steuerlichen Erhaltungsaufwendungen durch den Nach- an den Vorerben wie folgt dar:

Hatte der Vorerbe die fraglichen Aufwendungen bereits aus dem Nachlass bestritten, was ihm § 2124 Abs. 2 S. 1 BGB erlaubt, so konnte er diese im Jahr ihres Anfalls steuerlich geltend machen. Einen Erstattungsanspruch hat er in diesem Fall nicht; er folgt stattdessen an den Nacherben einen um die fraglichen Aufwendungen verminderten Nachlass aus. Der Übergang des Nachlasses, auch des verminderten Nachlasses, ist aber rein erbrechtlicher Natur. Er hat keine ertragsteuerlichen Konsequenzen.

Anders stellt sich die Situation dar, wenn der Vorerbe seine Aufwendungen nicht dem Nachlass entnommen hat, sondern nach Eintritt des Nacherbfalls einen Erstattungsanspruch nach § 2124 Abs. 2 BGB gegen den Nacherben geltend macht:

Mit Eintritt des Nacherbfalls verliert der Vorerbe die dem Nachlass zugehörigen Einkunftsquellen. Erhält ein Steuerpflichtiger, hier der Vorerbe, der für einen Zeitraum Aufwendungen als Werbungskosten im Rahmen von Überschusseinkunftsarten geltend gemacht hat, als die Einkunftsquelle ihm gehörte, diese Aufwendungen nach Verlust der betreffenden Einkunftsquelle erstattet, so ist diese Erstattung als nachträgliche Einnahme aus einem früheren Rechtsverhältnis i.S.d. § 24 Nr. 2 Alt. 2 EStG zu qualifizieren und ist damit steuerpflichtig.[6][7] Generierte die in Rede stehende, dem Nachlass zugehörige Einkunftsquelle hingegen den Gewinneinkunftsarten unterfallende steuerliche Einkünfte, so liegen nachträgliche Betriebseinnahmen beim Vorerben aus einer ehemaligen Tätigkeit i.S.d. § 24 Nr. 2 Alt. 1 EStG vor.[8] Die steuerliche Abwicklung beim Vorerben erfolgt in beiden Fällen nach dem Zufluss-/Abflussprinzip, ist also erst mit Zahlung zu erfassen, bei den Gewinneinkunftsarten in analoger Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG,[9] bei den Überschusseinkunftsarten aufgrund deren Definition in §§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 11 EStG.

Soweit also der Erstattungsanspruch nach §§ 2124 Abs. 2, 2125 BGB Kosten umfasst, die der Vorerbe zuvor als Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuerlich geltend machen konnte, ist die Erstattung steuerpflichtige Einnahme. Der Vorerbe hat in diesen Fällen mithin cum grano salis keinen Steuervor-, aber auch keinen Steuernachteil: Er konnte seine Aufwendungen im Jahr der Verauslagung steuerlich abziehen, muss die Erstattung dieser Aufwendungen durch den Vorerben jedoch der Ertragsbesteuerung unterwerfen.

[6] Vgl. statt aller Horn, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rn 92, und Füssenich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 24 Rn C 26 ff., insbesondere C 31.
[7] Deshalb wird in Schadenersatzprozessen in derartigen Fällen in die Schadenberechnung auch die Ertragsteuer einbezogen, die die geschuldete Erstattung von Betriebsausgaben/Werbungskosten auslöst. Vgl. statt aller BGH, Urt. v. 20.8.2015 – III ZR 57/14, MDR 2015, 1179, und BGH, Urt. v. 11.2.2014 – II ZR 276/12, BGHZ 200, 51.
[8] Die ...

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