Das OLG Hamm hat sich in seiner Entscheidung vom 27.7.2022 mit erfreulicher Klarheit zu den Voraussetzungen des quotenlosen Erbscheins nach § 352a Abs. 2 FamFG positioniert. Ausgehend vom Wortlaut der Norm, der Gesetzesbegründung und dem Sinn und Zweck der Regelung (Beschleunigung des Erbscheinsverfahrens) ist der Senat zu dem überzeugenden Ergebnis, dass zur Erteilung eines quotenlosen Erbscheins der Verzicht des Antragstellenden auf die Aufnahmen von Erbquoten notwendig ist, nicht jedoch der Verzicht aller Miterben. Der Senat eröffnet damit für typische (i.d.R.) privatschriftliche Testamente, in denen der Erblassende einzelne Vermögensgegenstände an seine Kinder "vererbt", ohne eine explizite Erbeinsetzung zu treffen, auch für einzelne Miterben die Möglichkeit, die Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen quotenlosen Erbschein feststellen zu lassen, ohne die oft langwierigen und zumeist nicht zielführenden Ermittlungen zum Wertverhältnis der einzelnen vererbten Gegenstände durchzuführen und eine Erbquote zu ermitteln.

Die Zustimmung der übrigen Miterben bzw. deren Verzicht – privatschriftlich oder in öffentlicher Urkunde – auf die Aufnahme der Erbquoten ist nach Auffassung des OLG Hamm nicht erforderlich. Der Senat tritt mit der vorliegenden Entscheidung den Entscheidungen des OLG Frankfurt a.M. (21 W 175/21), des OLG München (31 Wx 242/19), des OLG Bremen (5 W 15/20) und Teilen der Literatur (Zimmermann, ZEV 2015, 520 [521]; Zimmermann, ZEV 2020, 170; Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 352 a Rn 14; Haußleiter/Schemmann, FamFG, 2. Aufl. 2017, § 352 a Rn 5; BeckOK-FamFG/Schlögel, 36. Ed. 1.10.2020, § 352 a Rn 3; MüKo-FamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, FamFG § 352 a Rn 18) entgegen. Diese gehen davon aus, dass die Begriffe "alle Antragsteller" und "alle im beantragten Erbschein ausgewiesenen Miterben" synonym zu verstehen sind, sodass der Verzicht aller potenziellen Miterben Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung des quotenlosen Erbscheins ist. Der fehlende Verzicht würde dann zu einen gravierenden Verfahrensmangel führen, der die Einziehung des quotenlosen Erbscheins erforderlich macht. Die Notwendigkeit des Verzichts aller Miterben wird dabei insbesondere aus der Tragweite des Verzichts und der Bedeutung des Erbscheins abgeleitet.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (25 Wx 55/19) und Teilen der Literatur (Prütting/Helms/Fröhler, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 352 a Rn 26; Bahrenfuss/Schaal, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 352 a Rn 11 ff.; Bork/Jacoby/Schwab/Rellermeyer, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 352 a Rn 3; Bumiller/Harders/Harders, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 352 a Rn 5) gelangt der Senat in der vorliegenden Entscheidung jedoch zu der zutreffenden Annahme, dass lediglich der antragstellende Miterbe den Verzicht auf die quotenmäßige Feststellung der Erbteile zu erklären hat. § 352a FamFG fordert nach seinem klaren Wortlaut, dass "alle Antragsteller" auf die Angabe der Erbquoten in dem Antrag auf Erteilung des Erbscheins verzichten. Da der gemeinschaftliche Erbschein unstreitig nicht von allen Miterben beantragt werden muss, ist es systematisch nur konsequent, den Verzicht des oder der Antragsteller auf die Aufnahme der Erbquote ausreichen zu lassen. Da der Gesetzeswortlaut auf den Verzicht der Antragsteller und eben nicht auf "alle Miterben" abstellt, ist eine Verzichtserklärung der übrigen Miterben nicht erforderlich (Bumiller/Harders/Harders, 12. Aufl. 2019, FamFG § 352a Rn 5).

Wollen die übrigen Miterben die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins verhindern, so genügt es nicht, der Erteilung des quotenlosen Erbscheins entgegenzutreten. Die übrigen Miterben müssten in diesem Fall selbst einen (gegenläufigen) Erbscheinsantrag stellen und damit das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzung für die Erteilung eines quotenlosen gemeinschaftlichen Erbscheins verhindern. Der reine Widerspruch gegen die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins durch einen nichtantragstellenden Miterben steht der Erteilung eines (sachlich zutreffenden) Erbscheins nicht entgegen (Strähuber, MittBayNot 2021, 55, 58).

Ulf Schönenberg-Wessel, Rechtsanwalt, Notar und Fachanawalt für Erbrecht, Kiel

ZErb 12/2022, S. 476 - 478

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