Die Grundlage für eine erbschaftsteuerliche Bewertung ist nach § 12 ErbStG das BewG. Auf Basis des § 9 Abs. 1 BewG ist bei der steuerlichen Bewertung grundsätzlich der gemeine Wert zugrunde zu legen.[7] Dies gilt laut § 11 BewG iVm § 109 BewG auch für Betriebsvermögen. Liegen für die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften weder Börsenkurswerte noch vergleichbare Transaktionen vor, so ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu ermitteln. Zudem sind für die Wertermittlung andere, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke anerkannte, Methoden zulässig.[8] Demzufolge kommt das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG zur Anwendung, sofern dieses nicht durch alternative, zugelassene Verfahren umgangen wird.[9] Der Kapitalisierungszinssatz setzt sich dabei nach § 203 BewG aus einem Basiszins, der aus den langfristigen Zinsstrukturdaten öffentlicher Anleihen abgeleitet wird, und einem Zuschlag von 4,5 Prozent zusammen. Durch den Kehrwert des Kapitalisierungszinssatzes wird der Kapitalisierungsfaktor ermittelt. Aufgrund der Kehrwertformel verhalten sich Kapitalisierungsfaktor und Kapitalisierungszinssatz diametral.

Die Auswirkungen der Niedrigzinsphase auf das vereinfachte Ertragswertverfahren sind insofern relevant, da das Verfahren maßgeblich für die Ermittlung einer erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage ist.[10] Eine geringe Verzinsung von Alternativanlagen führt unweigerlich zur Steigerung des Unternehmenswerts, auch wenn an der Ertragsaussicht des Unternehmens per se keine Änderungen vorliegen.[11] Die Senkung des risikolosen Zinssatzes führt folglich zu höheren Kapitalisierungsfaktoren und damit zu hohen Unternehmenswerten. Angesichts des Verlaufs des risikolosen Zinssatzes innerhalb der letzten Jahre lässt sich eine langfristige und internationale Entwicklung hin zu einem konstanten Niedrigzinsniveau nicht abstreiten.[12] Die Ursache der Niedrigzinsphase steht zudem im direkten Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise. Wird diese Problematik erkannt, muss die Niedrigzinsphase als ein langfristiges Phänomen anerkannt werden und es sollten Lösungen gefunden werden, welche diese Problematik im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens berücksichtigen.[13] Im Hinblick auf die Neuregelungen der steuerlichen Bewertung drängt sich die Frage auf, ob das vereinfachte Ertragswertverfahren in aktueller Form und unter Berücksichtigung des Zinsniveaus nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen kann. Infolgedessen ist eine zwangsläufige Nichtanwendbarkeit gem. § 199 Abs. 1 BewG möglich. Ferner sieht die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses eine rückwirkende Anwendung der Neubewertung zum 1.7.2016 vor.[14] Es besteht die Möglichkeit, dass eine solche Regelung zu einer echten Rückwirkung führen könnte und somit berechtigterweise verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt wird.[15]

[7] Vgl. Halaczinsky, UVR 2014, 83.
[8] Vgl. Beumer/Duscha in Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 6. Aufl., S.1417.
[9] Vgl. Bäuml, DB 2016, 1604; In der Praxis wird das Bewertungsverfahren des IDW S1 bereits häufig zur Umgehung des vereinfachten Ertragswertverfahrens genutzt.
[10] Vgl. Beznoska/Hentze, DB 2016, 2434.
[11] Vgl. Zipfel/Lahme, DStR 2015, 2043.
[12] Vgl. Anzinger, DStR 2016, 1767 -1771.
[13] Vgl. Zipfel/Lahme, DStR 2015, 2043.
[14] Vgl. BT-Drucks. 18/8911, 30.
[15] Vgl. Höreth/Stelzer, DStZ 2016, 565.

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