Die Regelung § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG verstößt gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot des Art. 24 DBA Deutschland-Liechtenstein, des Art. 24 DBA Deutschland-Österreich und auch des Art. 25 DBA Deutschland-Schweiz. Da Doppelbesteuerungsabkommen als Schrankenrecht etwa bestehende Besteuerungsansprüche der Vertragsstaaten einschränken, sind Höherbesteuerungen aufgrund eines diskriminierenden nationalen Steuerrechts bei Vorliegen einer DBA rechtswidrig.

Die Regelungen des DBA Deutschland-Liechtenstein wurden mit Inkrafttreten des DBA in Deutschland per 19.12.2012 Bestandteil des innerstaatlichen Rechts (Art. 59 Abs. 2 GG) und begrenzen Steueransprüche aus dem innerstaatlichen deutschen Steuerrecht. DBA-Völkerrecht geht nach § 2 AO dem nationalen Recht vor; nach dem Grundsatz lex posteriori derogat legi priori verdrängten die DBA Regelungen zudem zumindest im Falle von Liechtenstein aber auch die vorliegend zeitlich früher definierten nationalen Besteuerungsregeln des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG, selbst wenn sie – anders als hier vertreten – im Sinne der deutschen Finanzverwaltung auslegbar wären.

Das DBA gilt gem. Art. 1 DBA D-FL für alle in einem der Vertragsstaaten ansässigen Personen. Die Begünstigten sind annahmegemäß als natürliche Personen mit Wohnsitz in Deutschland ansässig iSd Art. 4 DBA. Eine Familienstiftung liechtensteinischen Rechts ist gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e, d ebenfalls Person im Sinne des DBA und aufgrund des Ortes der Geschäftsleitung (vgl. § 10 Abs. 4 der Satzung) auch in Liechtenstein ansässig im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA.[68]

Art. 24 Abs. 1 des DBA D-FL sieht folgende Regelung vor:

"Staatsangehörige eines Vertragsstaates dürfen im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen, insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit, unterworfen sind oder unterworfen werden können."

Staatsangehörige sind gem. Art. 3 Abs. 1 lit. j aa DBA D-FL alle Deutschen iSd Grundgesetzes, also auch die Begünstigten der Stiftung. Staatsangehörige sind gem. Art. 3 Abs. 1 lit. j bb DBA D-FL auch alle juristischen Personen, die nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein errichtet worden sind, also auch Familienstiftungen. Das DBA D-FL gilt also für beide an Stiftungsleistungen beteiligten Personen.

Eine Familienstiftung im Fürstentum Liechtenstein ist bekanntlich im Sinne eines Rechtstypenvergleichs mit einer inländischen Familienstiftung im Sinne der §§ 80 ff BGB vergleichbar.[69]

Der einzige vorliegend bestehende Unterschied in den Verhältnissen im Vergleich zur Ausschüttung einer deutschen Familienstiftung,[70] die Ansässigkeit der Familienstiftung in Liechtenstein, wird in Art. 24 Abs. 1 DBA aber explizit ("insbesondere") als besonders sanktionswürdiges Diskriminierungsmerkmal ausgeschlossen.

Die Regelungen des DBA werden Bestandteil des innerstaatlichen Rechts (Art. 59 Abs. 2 GG) und begrenzen Steueransprüche aus dem innerstaatlichen Steuerrecht, hier die Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG, selbst wenn sie denn einschlägig wären.

Die in Art. 2 DBA D-FL angeführte Gültigkeit für Steuern vom Einkommen und Vermögen (Abs. 1 und 2) sowie die angegebene Liste von Steuerarten, für die das Abkommen "insbesondere" gilt, stellt vorliegend keine Einschränkung dar, da sich die Begrenzung aus dem allgemeinen steuerrechtlichen Gleichbehandlungsgebots des Art. 24 DBA D-FL ergibt, dass gem. Abs. 6 "ungeachtet des Art. 2 für Steuern jeder Art und Bezeichnung" gilt. Art. 24 DBA findet nach der deutschen Kommentarliteratur[71] des OECD-Musterabkommens – soweit die Regelung im konkreten DBA, wie vorliegend im Falle des DBA D-FL, enthalten ist – auch im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer Anwendung.

Sollte die Finanzverwaltung in diesem Punkt eine abweichende Meinung vertreten und die bestehende Diskriminierung ungeachtet des DBA durchsetzen wollen, wäre neben einer Klage in Deutschland im Falle von Liechtenstein auch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens gem. Art. 25 DBA D-FL bei den zuständigen Behörden eine weitere, und deutlich weniger aufwändige, Option.

Für die bestehenden DBA Deutschlands mit den Stiftungsstandorten Österreich und Schweiz gilt weitgehend[72] Entsprechendes.

[68] Vgl. Gierhake, Ansässigkeiten und Abkommensvorteile liechtensteinischer Stiftungen, ZErb 2013, S. 189 ff.
[69] Vgl. BFH v. 25. April 2001 II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457, zuletzt auch FG Düsseldorf v. 2.4.2014 – Az. 4 K 3718/12, Tz 9.
[70] S. auch oben Abschnitt 2. c).
[71] Vgl. z. B. Rust in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 6. Auflage 2015, OECD-MA Art. 24 Rn 13, 180,181, 185.
[72] Diese DBA sind zum Teil bereits älteren Datums, die Grundsatzregel "lex posteriori derogat legi priori" wäre hier ggf. unter leicht anderen Rahmenbedingungen zu prüfen.

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