1. Gläubiger des Auszahlungsanspruchs

1.1 Wenn der Erblasser eine Kapitallebensversicherung abschließt und einem Dritten das Bezugsrecht einräumt, entsteht im Todesfall der Auszahlungsanspruch in der Person des Begünstigten automatisch.[5] Mit der VVG-Reform ist die Beschränkung auf Kapitallebensversicherungen entfallen.[6] Im Falle einer reinen Risikolebensversicherung ohne Ansparkomponente verhält es sich deshalb genauso. Im Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherer und dem Erblasser kommt somit ein Vertrag zugunsten Dritter im Sinne der §§ 328, 331 BGB zustande. Formbedürftig ist die Vereinbarung dieses Deckungsverhältnisses nicht.[7]

1.2 Im Vollzugsverhältnis zwischen dem Versicherer und dem Bezugsberechtigten besteht keine vertragliche Vereinbarung.

1.3 Das zugrunde liegende Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigtem wird nach allgemeiner Meinung als Schenkung unter Lebenden aufgefasst.[8] Ob und wann ein Schenkungsvertrag wirksam zustande kommt, hängt maßgeblich davon ab, ob und wann der Bezugsberechtigte von der Zuwendung erfährt. Geschieht dies rechtzeitig – also vor Zugang einer Widerrufserklärung des Erben gem. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB –, bedarf es seiner ausdrücklichen Annahmeerklärung wegen § 151 BGB nicht. Bis zur Kenntnis der Zuwendung beim Begünstigten besteht – egal, ob das Bezugsrecht widerruflich oder unwiderruflich eingeräumt wurde[9] – kein Schenkungsvertrag. Überbringt das Versicherungsunternehmen als Bote das Schenkungsangebot des Erblassers,[10] kommt der Vertrag zustande. Der Mangel der gesetzlich vorgeschriebenen Form wird gemäß § 518 BGB durch die Bewirkung der Leistung geheilt. Die Leistung liegt nicht erst in der tatsächlichen Ausbezahlung der Versicherungssumme. Der Bezugsberechtigte hat die Forderung – unabhängig von jeglicher Kenntnis – gemäß § 331 Abs. 1 BGB schon mit dem Todesfall dinglich erworben. Darin liegt die schenkungsrechtliche Bewirkung der Leistung.

1.4 Hat der Bezugsberechtigte Kenntnis von der Zuwendung des Erblassers – sei es aufgrund einer Mitteilung des Versicherungsunternehmens, sei es aufgrund persönlicher Absprachen mit dem Erblasser schon zu dessen Lebzeiten – erhalten, kann er von der Versicherung sofort die Auszahlung der Versicherungssumme verlangen. Ob das Bezugsrecht widerruflich oder unwiderruflich eingeräumt worden ist, spielt dabei keine Rolle.

1.5 Gelingt es dem Erben, den Weg des Schenkungsangebots zum Bezugsberechtigten zu blockieren oder lässt er ihm vorher den Widerruf des Angebots zukommen, darf dieser die zunächst erworbene Forderung jedoch nicht behalten. Der Erbe kann sie kondizieren, denn mangels Schenkungsvertrags fehlt die Causa für den Erwerb der Forderung. Der Erbe befindet sich deshalb im Wettlauf mit dem Bezugsberechtigten.[11] Dies gilt beim widerruflichen und unwiderruflichen Bezugsrecht gleichermaßen.

[5] Bisher § 166 VVG aF, nunmehr § 159 Abs. 2, 3 VVG.
[6] Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 159 Rn 2.
[7] Bredemeyer, ZEV 2010, 288.
[9] So zutreffend Bredemeyer, ZEV 2010, 288, 291.
[10] Die bloße Aufforderung des Versicherers zur Übermittlung von Unterlagen reicht dafür noch nicht aus, BGH, ZErb 2008, 355.
[11] Bredemeyer, ZEV 2010, 288, 292.

2. Auszahlung an den Inhaber des Versicherungsscheins

Je nach Sachverhalt – insbesondere bei möglichen Abtretungen von Ansprüchen aus der Lebensversicherung – kann es sein, dass nicht nur zwei Personen um die Wette laufen, sondern sogar drei: der Erbe, der Anspruchsinhaber sowie der Inhaber des Versicherungsscheins.

2.1 Häufig liegen dem Lebensversicherungsvertrag allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) zugrunde, aufgrund derer der Versicherer den Inhaber des Versicherungsscheins als verfügungs- und empfangsberechtigt ansehen kann. In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 1 VVG wird der Versicherungsschein zum qualifizierten Legitimationspapier im Sinne von § 808 Abs. 1 BGB erhoben.[12] Somit ist der Inhaber des Versicherungsscheins zwar nicht berechtigt, von der Versicherung die Auszahlung zu verlangen. Gleichwohl kann die Versicherung mit schuldbefreiender Wirkung an ihn leisten.[13]

2.2 Wenn der Bezugsberechtigte von seinem Anspruch weiß, den Versicherungsschein aber – was regelmäßig der Fall sein wird – nicht in seinen Händen hält, sollte er das Versicherungsunternehmen möglichst rasch informieren. Die Legitimationswirkung der Urkunde greift nämlich nicht ein, wenn die Versicherung als Schuldnerin die fehlende Verfügungsberechtigung positiv kennt.[14] So kann er verhindern, dass das Versicherungsguthaben an den – materiell nicht berechtigten – Inhaber des Versicherungsscheins ausbezahlt wird.

2.3 Im Falle der Eröffnung des (Nachlass-)Insolvenzverfahrens entfällt für das Versicherungsunternehmen die Möglichkeit der schuldbefreienden Leistung an den Nichtberechtigten, allerdings nur dann, wenn es von der Eröffnung des Verfahrens weiß. Ist dem im Einzelfall nachweislich nicht so, kann es weiterhin mit schuldbefreiender Wirkung an den Inhaber des Versicherungsscheins leisten.[15] § 91 Abs. 1 InsO steht dem Rechtser...

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