Die Berufung des Klagers ist zulassig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begrundet worden. Sie ist auch in vollem Umfang begrundet. Der Klager hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe der streitgegenstandlichen Zuwendungen nach Maßgabe der Klageantrage zu Ziff. I. 1. – 8. aus § 2287 Abs.1 BGB iVm § 818 ff BGB.

1. Der Anwendungsbereich des § 2287 Abs.1 BGB ist entgegen der Auffassung des Landgerichts eroffnet. In ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich gilt diese Vorschrift zwar nur fur Schenkungen, die einen Vertragserben beeintrachtigen. Wie auch das Landgericht nicht verkannt hat, ist sie jedoch nach allgemeiner Ansicht ebenso bei bindend gewordenen wechselbezuglichen Erbeinsetzungen in gemeinschaftlichen Testamenten im Sinne der §§ 2270, 2271 Abs. 2 BGB anzuwenden (vgl. etwa jurisPK/Geiger, 8. Aufl., § 2287 BGB Rn 10 mit Nachweisen zur stdg. Rspr.). Die Voraussetzungen fur eine entsprechende Anwendung sind hier entgegen der Annahme des Landgerichts erfullt. Denn der Erblasser war gemaß §§ 2270, 2271 Abs. 2 BGB an die Einsetzung des Klagers als Schlusserbe in dem gemeinschaftlichen Testament vom 18.10.2000 gebunden. Diese Verfugung steht namlich in Wechselbezug zu der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute in dem Testament vom 18.7.1961. Dies folgt aus einer Auslegung der getroffenen Verfugungen nach den in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannten Regeln. Hilfsweise greift insoweit zudem die Zweifelsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB. Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes:

a) Gemaß § 2270 Abs.1 BGB sind Verfugungen eines gemeinschaftlich errichteten Testaments wechselbezuglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfugung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfugung des anderen getroffen worden ware. Nach standiger Rechtsprechung kommt es deshalb darauf an, ob die Verfugung des einen Ehegatten gerade deshalb getroffen wurde, weil der andere seine Verfugung getroffen hat und deshalb nach dem gemeinsamen Willen der Eheleute die eine Verfugung mit der anderen stehen und fallen soll (stdg. Rspr., vgl. die Nachweise bei Palandt/Weidlich, 76. Aufl., § 2270 BGB Rn 1; MuKo/Musielak, 7. Aufl., § 2270 BGB Rn 2). Ob Wechselbezuglichkeit gegeben ist, darf nicht pauschal anhand des Testaments insgesamt untersucht werden, sondern muss anhand der einzelnen Verfugungen eruiert werden (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 1410 – juris Rn 11).

Soweit in der Testamentsurkunde keine ausdrucklichen Anordnungen zur Wechselbezuglichkeit enthalten sind, ist der Wille der Testierenden zunachst im Wege der Auslegung gemaß den §§ 133, 2084 BGB zu ergrunden. Soweit danach Zweifel verbleiben, gilt fur die in § 2270 Abs. 2 BGB genannten Konstellationen die Vermutung fur eine Wechselbezuglichkeit. Nur dann, wenn diese Auslegungsregel nicht greift, gehen verbleibende Zweifel zulasten desjenigen, der Rechte aus der Wechselbezuglichkeit fur sich herleitet (vgl. zum Ganzen etwa Palandt/Weidlich, 76. Aufl., 2270 BGB Rn 4 mwN).

Verfugungen, die im Wechselbezug zueinander stehen, mussen nicht zwingend zeitgleich in einer einheitlichen Urkunde getroffen werden. Sie konnen vielmehr auch nacheinander in getrennten Urkunden niedergelegt werden. Allerdings muss in diesem Fall ein entsprechender Verknupfungswille feststellbar sein, der sich aus den Urkunden zumindest andeutungsweise ergeben muss (vgl. JurisPK/Reymann, 8. Aufl., § 2270 BGB Rn 11 mwN). Dabei mussen die Ehegatten nicht nur den Willen zur Zusammenfassung beider Testamente zum Ausdruck bringen, sondern auch deutlich machen, dass die fruhere und die spatere Verfugung in ihrem Bestand voneinander abhangig sein, also miteinander stehen und fallen sollen. Dies ist allerdings nicht nur ausdrucklich, sondern auch stillschweigend moglich. Ob nach dem Willen der Testierenden mit der spateren Verfugung ein solches Abhangigkeitsverhaltnis geschaffen werden sollte, ist wiederum im Wege der Auslegung nach §§ 133, 2084 BGB unter Berucksichtigung der Gesamtumstande des Einzelfalls zu ermitteln. (vgl. OLG Schleswig FamRZ 2016, 1306 – juris Rn 45; BayObLG NJW-RR 1999, 878 – juris Rn 42; OLG Saarbrucken FamRZ 1990, 1285 – juris Rn 22).

b) Nach diesen Maßgaben ist hier von einer Wechselbezuglichkeit der Schlusserbenbestimmung im Testament vom 18.10.2000 zu der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute in dem Testament vom 18.7.1961 auszugehen.

aa) Richtig ist allerdings zunachst, dass die im Testament vom 18.7.1961 in Ziff. II. S.2 enthaltene Schlusserbenbestimmung zugunsten des Klagers nicht wechselbezuglich zu der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute in Ziff. I des Testaments war. Denn diese Schlusserbenbestimmung stand ausdrucklich unter der Bedingung, dass der Uberlebende, der gemaß Ziff. II S.1 des Testaments uber das Ererbte und sein eigenes Vermogen frei testieren konnen sollte, keine anderweitige Verfugung von Todes wegen trifft. Hieraus folgt ohne Zweifel, dass die gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute und die Einsetzung des Klagers als Schlusserbe nach dem damaligen Willen der Eheleut...

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