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Die Anordnung von Pflichtteilsklauseln in einem gemeinschaftlichen Testament (Berliner Testament) soll pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge (Schlusserben) davon abhalten, nach dem Ableben des zuerst versterbenden Ehepartners ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen und durchzusetzen.[1] Die Pflichtteilsklausel hat dabei das Ziel, den überlebenden Ehepartner vor Zahlungsansprüchen und einem Liquiditätsabfluss aus dem Nachlassvermögen zu schützen.[2] Akzeptieren die Abkömmlinge eine Enterbung im ersten Todesfall, führt dies dazu, dass die Freibeträge der Abkömmlinge am Nachlass des erstversterbenden Elternteils nicht ausgeschöpft werden. Aus Sicht der Praxis stellt sich daher die Frage, inwieweit eine testamentarische Gestaltung gefunden werden kann, die beiden Interessen gerecht wird.

[1] Buchholz, FamRZ 1985, 872; Lübbert, NJW 1988, 2706; Worm RNotZ 2003, 535.
[2] J. Mayer in Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, 5. Aufl., § 2269 Rn 106.

1. Pflichtteilsklausel als auflösend bedingte Schlusserbeneinsetzung

Die Ausgestaltung der Pflichtteilsklausel erfolgt überwiegend so, dass die Abkömmlinge, die im ersten Erbfall ihren Pflichtteilsanspruch fordern, im Schlusserbfall von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Dabei handelt es sich um eine auflösend bedingte Schlusserbeneinsetzung.[3] Tatbestand der Bedingung ist dabei die Geltendmachung des Pflichtteils, Rechtsfolge ist die Enterbung im ersten Erbfall bzw. der Ausschluss des Abkömmlings von der Schlusserbfolge, ggfs. auch mit Wirkung für seine Abkömmlinge.[4] Der frei werdende Erbteil wächst dann den anderen Schlusserben an.

Wird zusätzlich noch ein Vermächtnis zugunsten derjenigen Schlusserben angeordnet, die den Pflichtteil nicht einfordern, spricht man auch von einer Pflichtteilsstrafklausel (Jastrow´sche Klausel).[5] Die bei dieser Gestaltung aufschiebend bedingt angeordneten Vermächtnisse reduzieren den Nachlass und das Vermögen des überlebenden Ehepartners und somit den Pflichtteilsanspruch des Abkömmlings im Schlusserbfall.

An der Wirksamkeit von Pflichtteilsklauseln bestehen nach einhelliger Meinung keine Zweifel. Dem Erblasser steht es grundsätzlich frei, über sein Vermögen zu verfügen.[6] Die Grenze bildet lediglich der Pflichtteilsanspruch, der dem Bedachten grundsätzlich nicht genommen wird. Der Anteil des Abkömmlings soll vielmehr darauf beschränkt werden.

[3] BayObLG NJW-RR 1988, 968.
[5] Jastrow DNotV 1904, 424.
[6] BayObLG NJW-RR 1990, 969; OLG München ZEV 2008, 341.

2. Inkrafttreten der Pflichtteilsklausel

Für das Auslösen der Pflichtteilsklausel und das In-Kraft-Treten der auflösenden Bedingung muss sowohl der subjektive als auch der objektive Tatbestand der Bedingung erfüllt werden.[7]

Nach hM ist für die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes ein bewusster Verstoß des Pflichtteilsberechtigten gegen den Willen der Erblasser erforderlich.[8] Dies ist der Fall, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Anspruch in Kenntnis der Pflichtteilsklausel geltend macht. Aufgrund der Bekanntgabe der letztwilligen Verfügungen durch das Nachlassgericht besteht hierüber meist kein Streit.

Auslegungsschwierigkeiten entstehen in der Praxis vielmehr bei der Frage, wann der objektive Tatbestand der auflösenden Bedingung erfüllt ist. Dies hängt von der Formulierung der Klausel und ihrer Auslegung ab.[9] Ist diese so formuliert, dass auf die "Geltendmachung des Pflichtteils" abgestellt wird, stellt sich die Frage, ob dafür bspw. das reine (isolierte) Auskunftsverlangen ausreicht, oder ob auch ein konkretes Zahlungsverlangen gestellt werden muss, wobei es dabei nicht darauf ankommt, dass der Pflichtteil tatsächlich ausgezahlt wird.[10] Nach überwiegender Auffassung genügt insoweit der Versuch einer Geltendmachung, sodass es auch keinen Unterschied macht, ob eine gerichtliche oder außergerichtliche Durchsetzung erfolgte.[11]

Schließlich steht auch die Frage nach dem Schutzzweck zugunsten des überlebenden Ehegatten im Raum, wenn der Pflichtteil nicht gegen den Willen des Überlebenden verlangt wird. Da die Rechtsprechung grundsätzlich nicht danach unterscheidet, ob ein "bewusster Ungehorsam" vorliegt oder eine einvernehmliche Pflichtteilsforderung, besteht auch bei einer einvernehmlichen Geltendmachung das Risiko, dass damit die auflösende Bedingung im Schlusserbfall ausgelöst wird.[12]

[7] Buchholz, FamRZ 1985, 872.
[8] BayObLG NJW-RR 1990, 969; BayObLG NJW-RR 1995, 262; OLG München ZEV 2008, 341.
[10] Radke, ZEV 2001, 136; OLG München ZEV 2008, 341.
[11] J. Mayer in Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2269 Rn 111.
[12] OLG München ZEV 2006, 411; kritisch dazu J. Mayer, MittBayNot 2007, 19.

3. Die zeitliche Befristung der "Auslösung" der Pflichtteilsklausel

Weiterhin bleibt zu überlegen, ob die Enterbung im Schlusserbfall auch dann gelten soll, wenn der Schlusserbfall innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist eintritt und der Pflichtteils- berechtigte den Pflichtteil dann quasi nach dem Tod des überlebenden Ehegatten noch verlangen könnte und der Schutzzweck der Pflichtteilsklausel sich an sich erledigt hat – denn nach § 2075 BGB ist von einen Unterlassen von unbestimmter Dauer au...

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