Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ob eine letztwillige Verfügung der Auslegung fähig und bedürftig ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Rechtsbeschwerdegericht nachzuprüfen und gegebenenfalls als Gesetzesverletzung im Sinn des § 27 Abs. 1 FGG anzusehen ist.

2. Setzen sich Ehegatten gegenseitig zum Erben und ihre Kinder zu Schlußerben ein, so wollen sie mit einer Verwirkungsklausel oftmals den überlebenden Partner davor schützen, daß er nach dem Tod des Erstversterbenden persönlichen und wirtschaftlichen Belastungen ausgesetzt ist, die sich aus der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs durch einen Abkömmling ergeben können. Nach der Lebenserfahrung ist dieser Schutz auch gewollt, wenn der Pflichtteilsanspruch nicht vom Abkömmling selbst, sondern von einem Dritten geltend gemacht wird, der im Wege der Erbfolge an die Stelle des Abkömmlings getreten ist.

 

Normenkette

BGB § 133

 

Verfahrensgang

LG Schweinfurt (Beschluss vom 28.01.1994; Aktenzeichen 2 T 2/94)

AG Bad Kissingen (Aktenzeichen VI 71/93)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom 28. Januar 1994 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur anderen Behandlung und neuen Entscheidung an das Landgericht Schweinfurt zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die verwitwete Erblasserin verstarb im Alter von 91 Jahren im Jahr 1993. Ihr Ehemann, mit dem sie in einziger Ehe verheiratet war, war am 28.7.1989 vorverstorben. Die Beteiligten sind die Abkömmlinge der Erblasserin. Der Beteiligte zu 1 ist ihr Sohn, der Beteiligte zu 2 ihr Enkel, nämlich der Sohn des am 10.8.1989 verstorbenen zweiten Sohnes der Erblasserin.

Die Erblasserin hatte mit ihrem Ehemann am 27.12.1966 einen notariell beurkundeten Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in welchem sich die Ehegatten gegenseitig zum Alleinerben und ihre beiden Söhne Franz und Erhard – unter sich zu gleichen Teilen – zu Erben des Längstlebenden von ihnen bestimmt haben. In Ziffer VII des notariellen Vertrags ist vereinbart:

„Für den Fall, daß eines unserer Kinder beim Ableben des zuerst Versterbenden von uns seinen Pflichtteil verlangen sollte, soll dieses auch bei Ableben des Längstlebenden von uns nur den Pflichtteil erhalten. „

Mit von den Ehegatten handschriftlich verfaßter und von beiden mit dem Datum 7.9.1980 unterzeichneter Anlage zum Ehe- und Erbvertrag wurde bestimmt:

„In Ergänzung dieses Vertrags bestimmen wir gemeinsam, daß hinsichtlich einer weiteren Erbfolge unseres Sohnes Erhard, geboren am … als Nacherbe dessen Sohn (unser Enkel) Walter, derzeit wohnhaft in …, einsetzen. Unser Sohn Erhard soll jedoch als Vorerbe in keiner Weise in seiner Verfügungsmacht über das Erbe beschränkt sein. Er kann in jeder Artfrei darüber verfügen.”

Die Beteiligten haben beim Nachlaßgericht unterschiedliche Erbscheinsanträge gestellt. Der Beteiligte zu 2 erstrebt einen Erbschein, der ihn gemeinsam mit dem Beteiligten zu 1 als Miterben zu je 1/2 ausweist. Er stützt sich auf die Schlußerbeneinsetzung des Ehe- und Erbvertrags nebst Ergänzung vom 7.9.1980. Gemäß dieser sei er als der einzige Sohn seines vorverstorbenen Vaters Erhard an dessen Stelle getreten.

Der Beteiligte zu 1 erstrebt hingegen unter Berufung auf die Ausschlußklausel in Ziffer VII des Ehe- und Erbvertrags einen Alleinerbschein. Er vertritt die Auffassung, daß der Beteiligte zu 2 gemäß dieser Klausel nur pflichtteilsberechtigt und daher von der Erbfolge ausgeschlossen sei.

Der am 10.8.1989 – also vor dem Erbfall nach dem Längstlebenden seiner Eltern, aber nach dem Tod seines Vaters – verstorbene Sohn Erhard ist aufgrund Testaments von seiner (zweiten) Ehefrau allein beerbt worden. Diese hat als Erbin ihres Ehemanns gegenüber der Erblasserin noch zu deren Lebzeiten den Pflichtteilsanspruch ihres Ehemanns am Nachlaß seines Vaters (Ehemann der Erblasserin) geltend gemacht. Auf ihren Antrag erging am 22.7.1992 ein Mahnbescheid gegenüber der Erblasserin über eine als „Pflichtteil nach Franz laut Anwaltsbrief vom …” bezeichnete Forderung von 100 000 DM. Nach Widerspruch der Erblasserin wurde das Verfahren an das Langericht S. abgegeben. Es ist seit 16.2.1993 gemäß § 246 ZPO ausgesetzt.

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 13.12.1993 die Erteilung eines Erbscheins dahin angekündigt, daß die Erblasserin von beiden Beteiligten zu je 1/2 beerbt worden sei. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen diese Entscheidung hat das Landgericht mit Beschluß vom 28.1.1994 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1, mit der er seinen Antrag weiterverfolgt, ihm einen Alleinerbschein nach der Erblasserin zu erteilen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht vertritt in Übereinstimmung mit dem Nachlaßgericht die Auffassung, daß die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gegenüber der Erblasserin durch die Ehefrau des vorverstorbenen Sohn...

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