Leitsatz (amtlich)

Ein "Verlangen des Pflichtteils" im Sinne einer Pflichtteilsstrafklausel kann auch dann vorliegen, wenn der Anspruch aufgrund eines zuvor erfolgten Erlasses objektiv nicht mehr bestand.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 04.09.2007; Aktenzeichen 7 T 6280/07)

AG Nürnberg (Aktenzeichen VI 4079/05)

 

Gründe

I.

Der Erblasser ist am 14.11.2005 im Alter von 81 Jahren verstorben. Seine Ehefrau ist am 26.6.2002 vorverstorben. Sie hatten vier Söhne, nämlich die Beteiligten zu 1 und 2 sowie K. und N. . Die Beteiligten zu 3 und 4 sind die Kinder der neuen Partnerin des Erblassers.

Es liegen gemeinschaftliche Testamente der Ehegatten vom 2.10.1967, 29.5.1984 und 15.5.2002 vor sowie letztwillige Verfügungen des Erblassers vom 25.7.2004 und 23.2.2005. Mit dem gemeinschaftlichen notariellen Testament vom 2.10.1967 setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein. Ergänzend dazu bestimmten sie mit gemeinschaftlichem Testament vom 29.5.1984 u.a.:

"1.

Unserem Sohn K. entziehen wir den Pflichtteil, weil ...

2.

Als Schlusserben bestimmen wir unsere gemeinschaftlichen Kinder, nämlich

a)

N. ...

b)

(Beteiligter zu 1)

c)

(Beteiligter zu 2)

zu gleichen Stammanteilen. Ersatzerben sind jeweils die Abkömmlinge unserer vorgenannten Söhne nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Bei Fehlen von Abkömmlingen tritt Anwachsung der übrigen Erbenstämme ein, wobei unser Sohn K. ausdrücklich ausgeschlossen ist.

3.

Verlangt eines unserer Kinder vom Nachlass des Erstversterbenden seinen Pflichtteil, so soll es auch vom Nachlass des Überlebenden nur den Pflichtteil erhalten. Verlangt ein Abkömmling den Pflichtteil beim ersten Erbfall, so erhalten die anderen Abkömmlinge, falls sie als gesetzliche Erben berufen werden (sic; richtig wohl: wären), ein Vermächtnis in Höhe des gesetzlichen Erbteils aus dem Nachlass des Erstversterbenden, das beim Tode des überlebenden Elternteils fällig wird und bis dahin unverzinslich ist.

4.

Der Überlebende von uns ist ausdrücklich berechtigt, innerhalb der Schlusserben Teilungsanordnungen zu treffen. ...

III.

Über das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht sowie über die Bindungswirkung dieses Testaments wurden wir vom Notar belehrt."

Zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments 1984 bestand das Vermögen der Eheleute im Wesentlichen aus dem Wohnhaus der Familie in N. und dem vermieteten ehemaligen Betriebsgrundstück. 1989 erwarben die Eheleute ein Haus auf Teneriffa, 1996 kaufte die Ehefrau ein Einfamilienhaus in Österreich. Diese Immobilien wurden vom Erblasser 2003 bzw. 2005 veräußert; den Erlös wandte er nach dem Vortrag der Beteiligten zu 1 und 2 zum großen Teil seiner Lebensgefährtin zu. Das Betriebsgrundstück wurde nach Aufteilung in Teileigentum zu 17/20 in die 1995 gegründete W. GbR eingebracht, an der der Erblasser, die Beteiligten zu 1 und 2 sowie ihr Bruder N. beteiligt waren.

Am 15.5.2002 errichteten die Ehegatten in Österreich eine notarielle letztwillige Verfügung, in der der Erblasser für den Fall des Eintritts der Schlusserbschaft seine Anteile an der W. GbR auf N. sowie die Beteiligten zu 1 und 2 aufteilte. Die früheren gemeinschaftlichen Testamente hielten die Eheleute ausdrücklich aufrecht.

Nach dem Tod der Mutter erklärten N. und die Beteiligten zu 1 und 2 im Rahmen des Nachlassverfahrens in Österreich zu Urkunde des zuständigen Notars am 22.7.2002, "dass sie keinerlei Pflichtteils- und sonstige Ansprüche gegen den Nachlass oder den Erben stellen". In der Folge focht der Erblasser seine Vaterschaft hinsichtlich N. an und schloss mit diesem am 17.12.2003 einen notariellen Vertrag, mit dem N. u.a. auf die in den gemeinschaftlichen Testamenten erfolgten Zuwendungen verzichtete. Ferner übertrug er mit notarieller Urkunde vom selben Tag seine Anteile an der W. GbR auf den Erblasser.

Mit privatschriftlichem Testament vom 25.7.2004 bestimmte der Erblasser seine Lebensgefährtin zur Alleinerbin. Mit dem vor einem spanischen Notar errichteten Testament vom 23.2.2005 setzte er deren Söhne, die Beteiligten zu 3 und 4, zu Erben ein und räumte seiner Lebensgefährtin einen Nießbrauch an seinem gesamten Vermögen ein.

Mit Anwaltsschreiben vom 17.6.2005 ließen die Beteiligten zu 1 und 2 dem Erblasser mitteilen, dass sie aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Bruders K. "jeweils die Zahlung des ihnen zustehenden Pflichtteils nach dem Tode der Mutter .... beanspruchen", und zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung auffordern. Auf ihren Antrag erging am 7.7.2005 Mahnbescheid und am 2.8.2005 Vollstreckungsbescheid gegen den Erblasser über 87.900 EUR. Eine Zahlung von Seiten des Erblassers erfolgte nicht; die Zwangsvollstreckung wurde nicht eingeleitet.

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben in Höhe von 126.000 EUR sowie dem Anteil des Erblassers an der W. GbR. Der Reinnachlasswert beträgt rund 900.000 EUR.

Das Nachlassgericht hat den Beteiligten zu 1 und 2 antragsgemäß einen Erbschein erteilt, der sie als Miterben zu je 1/2 ausweist. In der Folge haben sowo...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge