Mit der Entscheidung des EuGH ist der Meinungsstreit um die kollisionsrechtliche Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB wieder aufgelebt, den Weber[40] zutreffend als "Klassiker" bezeichnet. Die rein güterrechtliche Bewertung der pauschalen Zugewinnausgleichsregelung des § 1371 Abs. 1 BGB durch den BGH (vorstehend unter 2.1) ist infolge der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Mahnkopf in Bezug auf Erbfälle, die dem Anwendungsbereich der EuErbVO unterfallen, nicht mehr haltbar. Der pauschale Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB unterfällt dem Anwendungsbereich der EuErbVO und ist damit erbrechtlich zu qualifizieren.

Art. 1 Abs. 2 Buchst. d) EuErbVO nimmt zwar Fragen des ehelichen Güterrechts vom Anwendungsbereich dieser Verordnung aus – Art. 23 Abs. 2 Buchst. b) EuErbVO statuiert jedoch, dass die Bestimmung der Erbanteile und der Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten Teil des Erbstatuts sind und damit vom Anwendungsbereich dieser Verordnung erfasst werden. Mit dem Inkrafttreten der EuEheGüVO und der EuPartGüVO am 29.1.2019 ist im Übrigen jeweils deren Art. 1 Abs. 2 Buchst. d) mit zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich um die güterrechtlichen Abgrenzungsregelungen zur EuErbVO. Fragen der Rechtsnachfolge nach dem Tod eines Ehegatten oder eines eingetragenen Lebenspartners sind danach vom Anwendungsbereich der beiden neuen Güterstandsverordnungen ausgenommen.

Qualifiziert man nunmehr § 1371 Abs. 1 BGB auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 2 Buchst. b) EuErbVO folgerichtig – der Auffassung des EuGH folgend (unter 2.3) – als erbrechtliche Vorschrift, kann sie nur noch dann zur Anwendung gelangen, wenn das Kollisionsrecht der Art. 21 bzw. 22 EuErbVO auf deutsches Recht verweist.

[40] Ein Klassiker neu aufgelegt: Die Qualifikation des § 1371 BGB unter dem Regime der Europäischen Erbrechtsverordnung, NJW 2018, 1356.

3.1 Rechtswahl

Eine Person kann nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO für die Rechtsfolge von Todes wegen (vgl. zum Begriff Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) EuErbVO) ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen (oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergebend) das Recht des Staates wählen (Rechtswahl), dem sie

im Zeitpunkt der Rechtswahl oder
im Zeitpunkt ihres Todes

angehört (Heimatrecht).[41] Besitzt ein Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten (Mehrstaater), kann er das Recht eines der Staaten wählen, denen er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehört.

[41] Im Vergleich zu Art. 25 Abs. 2 EGBGB alt wird dadurch die Parteiautonomie gestärkt, da der Erblasser sein Heimatrecht für den gesamten Nachlass zum Erbstatut bestimmen kann: Ring/Olsen-Ring, Internationales Privatrecht, 2. Aufl., Rn 553.

3.2 Allgemeine Kollisionsnorm

3.2.1 Aufenthaltsprinzip

Sofern in der EuErbVO nichts anderes vorgesehen ist, d. h. ohne Rechtswahl (unter 3.1), unterliegt die gesamte Rechtsfolge von Todes wegen nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" hatte (Aufenthaltsprinzip). Damit vollzieht die EuErbVO einen grundsätzlichen "Gleichlauf von jus und forum".[42]

Der auslegungsbedürftige Rechtsbegriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" wird in der EuErbVO nicht näher definiert.[43] Unter Heranziehung von Erwägungsgrund 23 der Verordnung soll bei dessen Bestimmung die mit der Sache befasste Behörde jedoch eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen – und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigen (insbesondere die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe). Die Bestimmung des Ortes kann sich als schwierig erweisen, insbesondere dann, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen (unter Umständen auch für eine längere Zeit) in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrecht erhalten hat. Der Verordnungsgeber meint (Erwägungsgrund 24), dass in einem solchen Fall davon ausgegangen werden könne, dass der Erblasser seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" weiterhin in seinem Herkunftsstaat hat, in dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht sein Lebensmittelpunkt befand. Weitere komplexe Fälle können sich dann ergeben, wenn der Erblasser abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein.

[42] So Kunz, GPR 2012, 208.
[43] Näher Ring/Olsen-Ring, Internationales Privatrecht, 2. Aufl., Rn 546 f.

3.2.2 Offensichtlich engere Verbindung

Ergibt sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines...

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