Leitsatz

Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament kann auch gegenüber einem testierunfähigen Ehegatten erklärt werden. Es genügt der Zugang der notariell beurkundeten Widerrufserklärung an einen für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellten Ersatzbetreuer, auch wenn dieser ein Abkömmling des Erblassers ist.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. Juni 2013 – 15 W 764/13 – Vorinstanz: AG Schwabach, Nachlassgericht, 19. Februar 2012, VI 1214/12

Aus den Gründen

I. Mit gemeinschaftlichem handschriftlichem Testament vom 24.10.1999 setzten sich der Erblasser und seine Ehefrau, die Beteiligte A, gegenseitig zu Erben ein und bestimmten unter anderem, dass die Sicherung des Lebensunterhaltes des/der Über-/Längerlebenden bei der weiteren Beteiligung der gemeinsamen Kinder am Erbe Vorrang habe. Die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch lebenden drei gemeinsamen Kinder sollten nach dem Tod des Erstversterbenden der Höhe nach bestimmte Geldbeträge erhalten, der gemeinsame Sohn zusätzlich eine Immobilienfondsbeteiligung sowie einen Miteigentumsanteil zu ein Halb an einem im jeweils hälftigen Miteigentum der beiden Ehegatten stehenden Wohngrundstück. Dem Längerlebenden der beiden Ehegatten wurde an dieser Immobilie ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Letzterer sollte auch entscheiden, ob er anlässlich seiner Situation beim Erbfall die Beteiligungen der Kinder gleichmäßig für alle erhöhen wolle, wenn die Vermögenslage es zulasse.

Weiter enthält das gemeinschaftliche Testament unter anderem eine Verpflichtung des länger lebenden Ehegatten, mindestens zwei Drittel des bei seinem Tode noch vorhandenen Vermögens an die drei Kinder oder deren Nachkömmlinge zu vererben.

Mit Beschluss vom 27.6.2013 ordnete das Amtsgericht Schwabach durch einstweilige Anordnung, befristet bis 27.12.2012, die vorläufige Betreuung für den Erblasser mit sofortiger Wirksamkeit dieser Entscheidung an, die gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG mit Übergabe an die Geschäftsstelle des Amtsgerichts Schwabach am 28.6.2012 um 7.20 Uhr eintrat. Die vorläufige Betreuung umfasste unter anderem den Aufgabenkreis der Vermögenssorge. Zur vorläufigen Betreuerin wurde die Ehefrau des Erblassers, A, und zur Ersatzbetreuerin deren gemeinsame Tochter, C, bestellt.

Mit notarieller Urkunde vom 2.8.2012 widerrief die Beteiligte A gegenüber dem Erblasser, vertreten durch dessen Ersatzbetreuerin C, die von ihr im gemeinschaftlichen Testament vom 24.10.1999 "getroffenen Verfügungen in vollem Umfang". Frau C nahm diesen Widerruf in genannter notarieller Urkunde als Ersatzbetreuerin für den Erblasser an.

Am 16.9.2012 verstarb der Erblasser. Er hinterließ seine mit ihm im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebende Ehefrau A sowie die gemeinsamen Kinder B und C. Weitere gemeinsame Kinder des Erblassers sind ein am 29.10.1958 im Alter von 10 Tagen vorverstorbener Sohn des Erblassers sowie die am 23.2.2011 vorverstorbene Tochter E, die ihrerseits einen Sohn, den am 26.11.1994 geborenen Beteiligten D, hinterließ.

Die Beteiligten A, B, C und D haben am 27.11.2012 zur Niederschrift des Amtsgerichts Schwabach – Nachlassgericht – die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Erben gemäß der gesetzlichen Erbfolge ausweist, und zwar A zu ein Halb, B, C und D zu jeweils einem Sechstel. Zur Begründung führen sie aus, dass das gemeinschaftliche Testament vom 24.10.1999 wirksam widerrufen worden und eine weitere Verfügung von Todes wegen nicht vorhanden sei.

Mit Verfügung vom 18.12.2012 teilte der Nachlassrichter des Amtsgerichts Schwabach mit, es sei beabsichtigt, den Erbscheinsantrag zurückzuweisen, da das gemeinschaftliche Testament vom 24.10.1999 nicht wirksam widerrufen worden und daher für die Erbfolge maßgeblich sei.

Mit Schriftsatz vom 15.1.2013 wiederholte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten A den bereits zur Niederschrift erklärten Erbscheinsantrag. Die weiteren Beteiligten äußerten sich nicht.

Mit Beschluss vom 19.2.2012 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Schwabach den Antrag der vier Beteiligten auf Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beteiligte C habe eine Erklärung, die von ihrer Mutter gegenüber ihrem Vater abzugeben war, für ihren Vater entgegengenommen und sei daher gemäß § 1795 BGB an der Vertretung ihres Vaters rechtlich gehindert gewesen. Dies gelte auch im Hinblick auf § 181 BGB, da sie sich selbst durch die Entgegennahme der Erklärung zur Miterbin mache, die sie nach der angefochtenen letztwilligen Verfügung nicht gewesen wäre. Zuletzt sei noch fraglich, ob ihr Handeln überhaupt von der einstweiligen Anordnung über die Betreuerbestellung erfasst gewesen sei, weil sie darin zur Ersatzbetreuerin bestellt worden ist. Nach dem hier geläufigen Sprachgebrauch sei unter Ersatzbetreuer ein Betreuer für den Fall tatsächlicher Verhinderung zu verstehen. Für den Fall der rechtlichen Verhinderung werde üblicherweise der Ausdruck "Ergänzungsbetreuer" gebraucht. Zu einem solchen wäre a...

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