I.

Der Beteiligte zu 2. begehrt einen auf die Beteiligte zu 1. lautenden Erbschein, die Beteiligte zu 3. beruft sich auf ein früheres Ehegattentestament.

1. Der Ehemann der Erblasserin hatte zwei Kinder aus erster Ehe: Die Beteiligte zu 3. ist seine Tochter, sein Sohn ist ohne Abkömmlinge verstorben und von der Beteiligten zu 4. – seiner Ehefrau – allein beerbt worden. Die Erblasserin und ihr Ehemann waren im Bereich der Immobilienverwaltung tätig und waren Eigentümer mehrerer Immobilien. Sie hatten zwei gemeinsame Töchter, die im Januar 1994 bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind; weitere Abkömmlinge haben sie nicht.

Mit gemeinschaftlichem notariellen Testament vom 8.6.1994 verfügten die Erblasserin und ihr Ehemann unter Ziffer II wie folgt:

Wir setzen uns hiermit gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben ein. Der Überlebende wird in keiner Weise beschrankt oder beschwert. Er kann aber das beiderseitige Vermögen in jeder Weise frei verfügen.

Als gemeinsame Schlusserben bestimmten sie unter Ziffer III. des Testaments die Kinder des Erblassers aus erster Ehe – die Beteiligte zu 3. und den Ehemann der Beteiligten zu 4.; unter "VI. Bindung" regelten sie:

Sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen sind wechselbezüglich. Sie können daher nur gemeinschaftlich geändert werden oder durch Widerruf.

Nach dem Tode eines Teils von uns, soll aber der Überlebende Teil berechtigt sein, einseitig dieses Testament zu ändern, sofern nach seiner Auffassung in der Person der Schlusserben hierfür berechtigte Gründe vorliegen.

Der Ehemann der Erblasserin verstarb im Jahr 2000.

lm Jahr 2004 lernte die Erblasserin den 1966 geborenen Beteiligten zu 2. kennen; nach Verbüßung einer über dreijährigen Haftstrafe unter anderem wegen Untreue und Betruges hielt dieser sich ab dem Jahr 2013 vermehrt bei der Erblasserin in H. auf, wo er im Gästezimmer wohnte. Er war mit der Erblasserin befreundet und trat zum Teil nach außen als ihr Lebensgefährte auf. Über eine eigene Wohnung und ein regelmäßiges Einkommen verfügte er nicht.

lm November 2017 erkrankte die Erblasserin lebensbedrohlich an einer Herzinnenhautentzündung und wurde am 20.11.2017 ins Krankenhaus eingeliefert. Am 21. November 2017 erteilte sie dem Beteiligten zu 2. eine notarielle transmortale Generalvollmacht. Am selben Tage errichtete sie ein notariell beurkundetes Testament, in dem sie regelte:

Ich vermache meinen gesamten Nachlass einer noch zu gründenden gemeinnützigen Stiftung mit dem Namen "Stiftung."

Zweck der Stiftung ist die Forderung begabter Studierender auf dem Gebiet des Maschinen- und industriellen Hochbaus der Technischen Universität B.

Ich bestimme hiermit, dass [der Beteiligte zu 2] die Stiftung gründet und in meinem Sinne die Satzung ausgestaltet und in verantwortlicher Stellung die Stiftung führt. Er soll vorerst auch Vorsitzender des Stiftungsvorstandes werden und Sorge dafür tragen, dass die Mittel aus meinem Nachlass im Sinne der Stiftung verwendet werden. Dazu soll er sich auch fachkundiger Hilfe bedienen.

Eine Stiftungssatzung ist in dem Testament nicht enthalten und ihm auch nicht beigefügt. Beide Beurkundungen fanden im Krankenhaus statt, wobei das Testament – augenscheinlich vom beurkundenden Notar – handschriftlich niedergeschrieben worden ist.

Im November 2017 verstarb die Erblasserin. Der Beteilige zu 2. wohnte weiterhin in ihrem Wohnhaus. Dort zog auch seine Lebensgefährtin ein, die er im Januar 2018 kennengelernt hatte. Den gemeinsamen Lebensunterhalt bestritt der Beteiligte zu 2. aus dem Nachlass.

Mit notarieller Urkunde vom 31.5.2018 beantragte der Beteiligte zu 2. einen Erbschein, der die Beteiligte zu 1. als Alleinerbin ausweist. Die Erblasserin habe durch die Errichtung des Testaments vom 21.11.2017 das gemeinschaftliche Testament vom 8.7.1994 geändert.

Die Beteiligte zu 3. ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten und hat die Anordnung einer Nachlasspflegschaft angeregt. Das Testament vom 21.11.2017 sei unwirksam, soweit es dem früheren gemeinschaftlichen Testament vom 8.7.1994 widerspreche. Ziffer II des gemeinschaftlichen Testaments beziehe sich ersichtlich nur auf die Möglichkeit des länger lebenden Ehegatten, zu Lebzeiten über das ererbte Vermögen frei zu verfügen. Ziffer VI betone die Wechselbezüglichkeit und regele nur für den ganz besonderen Fall, dass in der Person der Schlusserben berechtigte Gründe vorliegen, die Möglichkeit einer Abänderung durch den länger lebenden Ehegatten. Solche Umstände lagen hier aber nicht vor und das Testament vom 21.11.2017 äußere sich hierzu auch nicht. Damit sei das frühere Testament bindend. Es bestanden auch Zweifel, ob das jüngere Testament dem wirklichen Willen der Erblasserin entspreche. Die Erblasserin habe nichts unternommen, um die Stiftung zu initiieren, und habe sich zum Zeitpunkt der Beurkundung in einem sehr kritischen Gesundheitszustand befunden, der unmittelbar zur Verlegung der Erblasserin in eine Spezialklinik geführt habe. Bis zur Klärung, wer Erbe geworden sei, sei die S...

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