Außerhalb der Reichweite von § 6 AStG kann bei der Vermögensnachfolge eine Wegzugssteuer "im weiteren Sinne" dadurch ausgelöst werden, dass durch Erbfall oder Schenkung Wirtschaftsgüter eines inländischen Betriebsvermögens abkommensrechtlich ins Ausland "verlagert" werden und dadurch das deutsche Besteuerungsrecht an diesen Wirtschaftsgütern endet (sog. Entstrickung). Einkünfte aus Beteiligungen an gewerblichen Personengesellschaften unterliegen grundsätzlich der beschränkten Steuerpflicht im Inland, sofern die Gesellschaft eine Betriebsstätte (§ 12 AO) in Deutschland hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG). Wird das deutsche Besteuerungsrecht an den der deutschen Betriebsstätte zuzuordnenden Wirtschaftsgütern hingegen infolge eines Erbfalls oder einer Schenkung "über die Grenze" ins DBA-Ausland ausgeschlossen, behandelt das Ertragsteuerrecht diesen Vorgang als Entnahme (§ 4 Abs. 1 S. 3 EStG). Diese (fiktive) Entnahme führt zur "Entstrickung" der betreffenden Wirtschaftsgüter, d. h. zur sofortigen Besteuerung von deren stillen Reserven (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 Hs 2 EStG). Ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts findet statt, wenn die bisher einer inländischen Betriebstätte zuzuordnenden Wirtschaftsgüter künftig einer ausländischen Betriebstätte zuzuordnen sind (§ 4 Abs. 1 S. 4 EStG). Nach DBA-Recht behält Deutschland bei Übertragung einer Beteiligung an einem gewerblichen "Unternehmen" auf einen im DBA-Ausland ansässigen Nachfolger im Regelfall das Besteuerungsrecht hinsichtlich der der deutschen Betriebsstätte zuzuordnenden Wirtschaftsgüter (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA). Dies gilt jedoch nicht bei Übertragung einer Beteiligung an einer nur gewerblich geprägten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Denn nach der Rechtsprechung kann eine gewerblich geprägte Gesellschaft mangels "echter" unternehmerischer Tätigkeit keine Betriebsstätte im DBA-rechtlichen Sinne in Deutschland haben.[28] Eine "Entstrickungsbesteuerung" inländischen Betriebsvermögens droht somit immer dann, wenn ein Steuerpflichtiger eine Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft an einen im DBA-Ausland ansässigen Nachfolger vererbt oder verschenkt. Die früher verbreitete Strategie der Einlage von Anteilen iSv § 17 EStG in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft zur Vermeidung der Wegzugssteuer nach § 6 AStG erweist sich somit seit einigen Jahren als steuerliche Falle. Denn die in § 6 AStG vorgesehenen Möglichkeiten zur Stundung oder zum Erlass der Wegzugssteuer gelten bei der Entstrickungsbesteuerung gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 EStG nicht. Bei (tatsächlicher) Verlagerung von Wirtschaftsgütern eines inländischen Betriebsvermögens in andere EU/EWR-Länder haben unbeschränkt Steuerpflichtige das Recht, einen über fünf Jahre ratierlich aufzulösenden Ausgleichsposten zu bilden, durch den ein gewisser unverzinslicher Besteuerungsaufschub erreicht wird (§§ 4 g, 36 Abs. 5 EStG). Ob diese Regeln auch bei Verschenkung oder Vererbung einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft "über die Grenze" ins DBA-Ausland gelten, ist unsicher. Denn zum einen ist der Übertragende nach der Übertragung nicht mehr "Steuerpflichtiger" eines inländischen Gewerbebetriebs, zum anderen ist der Nachfolger im Inland meist gerade nicht "unbeschränkt" steuerpflichtig.

[28] BFH v. 4.5.2011, BFH/NV 2011, 1637; v. 9.12.2010, BStBl. II 2011, 482; Loose/Wittkowski, IStR 2011, 68, 70 mwN; aA BMF v. 16.4.2010 zur Anwendung der DBA bei Personengesellschaften, Tz 2.2.1.

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