Beim Begriff der Rechtswahl des Erblassers iSv Art. 22 EU-ErbVO handelt es sich ebenfalls um eine "doppeltrelevante Tatsache": Er gewinnt Bedeutung nicht nur im Rahmen der Zulässigkeit der Klage bei der (IZPR-)Frage nach der internationalen Zuständigkeit (Artt. 6, 7 EU-ErbVO), sondern auch im Rahmen der Begründetheit der Klage bei der kollisionsrechtlichen (= IPR-)Frage nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Recht (Art. 22 EU-ErbVO).

Hat sich das Aufenthaltsgericht gemäß Art. 6 EU-ErbVO für international unzuständig erklärt, so ist dessen Feststellung, dass der Erblasser eine Rechtswahl iSv Art. 22 EU-ErbVO getroffen habe, für das Staatsangehörigkeitsgericht zwar bei Prüfung der eigenen Zuständigkeit nach Art. 7 lit. a EU-ErbVO bindend. Auch hier erstreckt sich die Bindungswirkung des klageabweisenden Prozessurteils des Aufenthaltsgerichts gemäß Art. 39 Abs. 1 EU-ErbVO aber nur auf Fragen der Zulässigkeit der Klage, nicht auf Fragen der Begründetheit. Das Staatsangehörigkeitsgericht ist daher durch die Feststellungen des Aufenthaltsgerichts zum Vorliegen einer Rechtswahl in seiner kollisionsrechtlichen Beurteilung nicht beschränkt, kann dort also – theoretisch – eine Rechtswahl iSv Art. 22 EU-ErbVO verneinen und stattdessen gemäß Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO das ihm fremde materielle Erbrecht des Staats des letzten gewöhnlichen Aufenthalts anwenden.

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