Leitsatz

1. Wird die Rechtsstellung der Kinder der in einem Erbvertrag verfügenden Ehegatten als diejenige von "Nacherben" beschrieben, kann das Grundbuchamt eine davon abweichende Auslegung, die den überlebenden Ehegatten als Vollerben und die Kinder nur als Schlusserben des Letztversterbenden ansieht, nicht vornehmen. Eine solche Auslegung ist nur nach weiteren tatsächlichen Ermittlungen möglich, die dem Nachlassgericht vorbehalten sind.

2. Die Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB ist vom Grundbuchamt zu berücksichtigen und kann zu dem Ergebnis führen, dass die Kinder neben der Rechtsstellung als Nacherben des erstverstorbenen diejenige von Schlusserben des letztverstorbenen Elternteils erlangt haben.

OLG Hamm, Beschluss vom 26. Juli 2013 – I-15 W 248/13

Sachverhalt

In dem eingangs genannten Grundbuch sind die Ehegatten C2 und C3 geb. C8 zu je 1/2 Anteil als Miteigentümer eingetragen. Die Ehegatten schlossen zu notarieller Urkunde vom 10.8.1999 (UR-Nr. 245/1999 Notar C7 in Warendorf) einen Erbvertrag, der auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"§ 1 Erbeinsetzung "

Wir setzen uns wechselseitig zu Alleinerben ein und nehmen diese Erbeinsetzung an.

§ 2 Erbeinsetzung

Unsere Kinder, C 4 ... sowie C1 sollen Nacherben zu ? Anteil werden, wobei jedoch die Hausbesitzung eingetragen (im o.g. genannten Grundbuch) unsere beiden Erben als Vorvermächtnisnehmer zu je ? Miteigentumsanteil erhalten.

Ersatzvermächtnisnehmer für beide Vermächtnisnehmer sind die Kinder von C1, nämlich C 5 und C 6 zu je ? Anteil.

Im übrigen sind die Ersatzvermächtnisnehmer auch Nachvermächtnisnehmer hinsichtlich unserer beiden Erben, sodass letztlich Eigentümer der genannten Besitzung allein im Wege des Nachvermächtnisses die Kinder C 5 und C 6 von Herrn C1 werden. ...“

C3 ist am 12.11.2012, C2 ist am 23.3.2013 verstorben. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben mit Erklärung vom 8.4.2013 bei dem Grundbuchamt beantragt, sie aufgrund des Erbvertrags als Eigentümer im Grundbuch einzutragen. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 28.5.2013 beanstandet, die Erbenstellung der Beteiligten sei wegen des in sich nicht widerspruchsfreien Wortlauts der notariellen Urkunde nicht hinreichend nachgewiesen. Zur Behebung der Beanstandung hat es den Beteiligten die Vorlage eines Erbscheins aufgegeben. Gegen diese Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, die sie mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 10.6.2013 bei dem Grundbuchamt eingelegt haben. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Aus den Gründen

Die namens der Beteiligten vom Urkundsnotar (§ 15 GBO) eingelegte Beschwerde ist nach §§ 71, 73 GBO zulässig (vgl. Bauer/von Oefele/Budde, GBO, 3. Aufl., § 71 Rn 11) und begründet.

Der Senat legt den Grundbuchberichtigungsantrag der Beteiligten vom 2.5.2013 dahin aus, dass sie als Eigentümer in Erbengengemeinschaft zu je ? Anteil eingetragen werden wollen; denn eine Umwandlung der Erbengemeinschaft in eine Bruchteilsgemeinschaft (§§ 1008 ff BGB) ist noch nicht in der Form der §§ 873, 925 BGB und auf grundbuchrechtlicher Ebene der Bewilligung (§ 19 GBO) und des Nachweises der erforderlichen Einigung (§§ 20, 29 GBO) erfolgt (vgl. dazu OLG München FamRZ 2012, 154 = ZEV 2012, 415).

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil das Grundbuchamt die beantragte Grundbuchberichtigung im Ergebnis zu Unrecht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht hat.

Nach § 35 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 GBO kann eine in einer öffentlichen Urkunde enthaltene letztwillige Verfügung Grundlage einer Grundbuchberichtigung nach Eintritt der Erbfolge sein. Nur wenn das Grundbuchamt die Erbfolge durch die vorgelegte Urkunde nicht für nachgewiesen erachtet, kann es die Vorlage eines Erbscheins verlangen (Halbs. 2 derselben Vorschrift). Aus dem Zusammenhang beider Vorschriften hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass das Grundbuchamt verpflichtet ist, die in einer öffentlichen Urkunde errichtete letztwillige Verfügung in eigener Verantwortung auszulegen, wobei die gesetzlichen Auslegungsregeln zu berücksichtigen sind. Nur Zweifel tatsächlicher Art, die die Erforderlichkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung begründen, berechtigen das Grundbuchamt, die Berichtigung von der Vorlage eines Erbscheins abhängig zumachen. Denn erforderliche tatsächliche Ermittlungen (§ 26 FamFG) können nicht im Grundbucheintragungsverfahren durchgeführt werden, sondern sind dem Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins vorbehalten (vgl. etwa Senat Rpfleger 2001, 71; Demharter, GBO, 28. Aufl., § 35 Rn 39 jeweils mwN).

Nach diesen Grundsätzen lässt sich entgegen der Auffassung der Beschwerde aus der notariellen Urkunde vom 10.8.1999 nicht mit einer die Erforderlichkeit weiterer tatsächlicher Ermittlungen ausschließenden Gewissheit ableiten, dass die Ehegatten sich im Sinne des § 2269 BGB gegenseitig zu (Voll-) Erben und die Beteiligten zu 1) und 2) zu Schlusserben nach dem Letztversterbenden einsetzen wollten. Der Wortlaut der notariellen Urkunde ist in diesem Zusammenhang nicht widerspruchsfrei. Die gegenseiti...

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